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Barbara John zu Kirche und Abtreibungen„Wir sind gegen die Stigmatisierung“

Der Katholische Deutsche Frauenbund Berlin richtet sich mit einer Petition an Papst Franziskus. Kritisiert wird sein Vergleich von Abtreibungen mit Auftragsmorden.

Wie wird der Papst wohl reagieren? Foto: Unsplash/Nacho Arteaga
Juliane Fiegler
Interview von Juliane Fiegler

Mit dem Berliner Diözesanverband des Katholischen Deutschen Frauenbundes haben Sie 30.427 Unterschriften für die Online-Petition „Papst Franziskus: Abtreibung ist kein Verbrechen“ gesammelt. Haben Sie mit so viel Unterstützung gerechnet?

Ja, schon. Das zeigt einfach, dass viele Menschen unsere Haltung teilen: Die Petition setzt sich nicht für Abtreibung ein, sondern gegen die Anmaßung des Papstes, Frauen, die eine selbstverantwortete Gewissensentscheidung für eine Abtreibung treffen, als Verbrecherinnen zu stigmatisieren und zu verdammen.

Gab es zu der Petition auch negative Reaktionen zum Beispiel von sogenannten Lebensschützern?

Wenige, und die waren auch willkommen. Das Thema ist nun mal polarisierend. Aus Erfahrung wissen wir, dass Frauen schon immer in Notlagen abgetrieben haben, unabhängig davon, ob es straffrei war oder nicht. Dennoch ist es gut, dass es Frauen gibt, die alles versuchen, um eine Abtreibung zu vermeiden und es auch schaffen. Aber was ist mit den anderen? Brauchen sie keine Hilfe, weil sie es in ihrer spezifischen Notlage nicht schaffen? Sollten sie verurteilt werden ausgerechnet von einer Institution, die seit Jahrhunderten ein überholtes Frauenbild konserviert? Die nicht verstehen will, dass Frauen durch ihre Biologie und andere Abhängigkeiten oft einem Entscheidungsdilemma ausgesetzt sind und damit fertig werden müssen?

Was ist seitdem passiert? Haben Sie die Petition jetzt an den Papst geschickt?

Nein, darüber werden wir im Vorstand noch sprechen. Aber der Berliner Erzbischof, Heiner Koch, hat sich kritisch dazu geäußert und wir werden bald ein Gespräch mit ihm führen. Dabei werden wir auch betonen, dass katholische Schwangerschaftsberatungen besser unterstützt werden müssen. Aktuell müssen die Stellen 20 Prozent ihrer Ausgaben aus Eigenmitteln bezahlen. Das können sie kaum schaffen. Aber auch die Richtung der Beratung dort muss sich auch ändern. Beispielsweise sind Frauen mit Kinderwunsch ohne Ehepartner von der Beratung ausgeschlossen.

Im Interview: Barbara John

Barbara John ist Vorsitzende des Diözesanverbands Berlin des Katholischen Deutschen Frauenbundes. Sie war viele Jahre CDU-Politikerin, erste Ausländerbeauftragte des Berliner Senats und ist Ombudsfrau der Bundesregierung für die Hinterbliebenen der Opfer des NSU-Terrors.

Wie ist es überhaupt zu der Petition gekommen?

Ein wenig hat der Papst selbst den Anstoß dafür gegeben, dadurch dass er im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche die große Autorität und die Unantastbarkeit des Klerus in der Kirche kritisiert hat. Dabei haben auch die Laien einen großen Anteil. Sie kuschen und schweigen zu oft. Das muss sich ändern und Frauen könnten eine Vorreiterrolle spielen. Zu verlieren haben sie gar nichts.

Steht der KDFB Berlin denn in finanzieller Abhängigkeit zum Beispiel von der Deutschen Bischofskonferenz und gibt es bei besonders papst-kritischen Äußerungen dann Probleme?

Wir stehen in keiner solchen Abhängigkeit. Aber es stimmt schon: Kritik und Konflikte, die nötig sind, um auf Missstände hinzuweisen, werden oft durch diese hierarchischen Strukturen und Abhängigkeiten in der Kirche verhindert.

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1 Kommentar

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  • Ich finde es gut und richtig, dass die - nach meiner Meinung mehr als berechtigte - Kritik von einem Verband innerhalb der katholischen Kirche kommt.

    Die katholische Kirche hat seit einiger Zeit soviele "Baustellen", dass man ihr nur raten und empfehlen kann, nun die Schotten nicht dicht zu machen, sondern die - berechtigte - Kritik anzunehmen und intern darüber zu sprechen und zu beraten, wie man darauf reagieren möchte.



    Würde sich Kirche der gesellschaftlichen Entwicklung versagen, käme sie noch mehr "in die Ecke" und "in's Abseits". Was nicht heißt, dass Kirche jede zeitgeistliche Mode mitmachen muss oder auch nur mitmachen sollte.

    Wer wesentliche Erscheinungen, wie z.B. die Art und Weise, wie wir unter kapitalistisch-marktwirtschaftlichen Bedingungen arbeiten und leben, kritisieren möchte, und wer Halt suchenden Menschen beistehen möchte, kann natürlich nicht "Mitglied" im System sein, sondern muss unabhängig bleiben. Nur, eine zu starke, allumfassende Entweltlichung schadet auch.

    Der Mensch solle das Leben in seiner ganzen Fülle leben, meine Freiheit endet da, wo die Freiheit Anderer beginnt und Gottes innerer Kern ist Barmherzigkeit - das könnte die Leitlinie sein.