Papst Franziskus legt Öko-Enzyklika vor: Befreiungstheologie in Grün
In einer bislang unautorisierten Enzyklika „Laudato Si“ fordert der Papst eine „ökologische Bekehrung“, mehr Rechte für Arme und das Ende von Kohle und Öl.
Er verordnet seiner Kirche eine neue grüne Theologie, verlangt aber auch konkret: „Fossile Brennstoffe müssen ohne Zögern ersetzt werden“.
Franziskus nimmt in seinem 192seitigen Schreiben, das bislang nur als unautorisierte italienische Fassung vorliegt, kein Blatt vor den Mund: Er beklagt die Zerstörung der Umwelt, die Belastung der Ozeane, Atmosphäre und den Verlust der Biodiversität. „Unsere Erde, unsere Heimat, wird zu einer Müllkippe“, schreibt er – und vergisst nicht zu erwähnen, dass darunter die Armen und Ausgegrenzten am meisten leiden.
Das Papier wird am Donnerstag offiziell in Rom vorgestellt und war vorab von der italienischen Zeitung L´Espresso ins Internet gestellt worden. Der Vatikan hat dieses Vorgehen verurteilt und warnt, der Text sei nicht endgültig. Vatikan-Experten sehen darin einen Angriff konservativer Kreise auf Franziskus und seine lang erwartete Öko-Enzyklika.
Die Gegner einer effektiven Umweltpolitik haben dann auch Grund zur Sorge. Denn über weite Strecken liest sich die bisher bekannte Version von „Laudato Si“ wie ein Öko-Manifest: Der Papst lobt die Gemeingüter von Wasser und Luft, er spricht von „ökologischen Schulden des Nordens gegenüber dem Süden“, er akzeptiert die Wissenschaft des Klimawandels, geißelt die Konsumgesellschaft und die globalisierte Technikgläubigkeit und warnt vor der Gentechnik in der Landwirtschaft.
Der Mensch als Dominator und Zerstörer
Auf die vielen Versuche von Industrielobbies, das Schreiben abzuschwächen oder zu verwässern, hat Franziskus wie bereits in seiner ersten Enzyklika mit einem trotzigen Text geantwortet. Ganz in der Tradition seines Namenspatrons, des heiligen Franziskus, aus dessen berühmten Gedicht „Sonnengesang“ der Titel „Laudato Si“ stammt, beklagt der Papst etwa, durch das Artensterben würden „tausende von Spezies nicht mehr Gott loben können.“
Das Oberhaupt von 1,2 Milliarden Katholiken räumt mit einer Theologie auf, die seit Jahrhunderten predigt, der Mensch solle sich die Erde untertan machen. „Der Mensch als Dominator und Zerstörer, das ist keine korrekte Interpretation der Bibel“, schreibt das Oberhaupt der katholischen Kirche seinen Theologen ins Stammbuch. Weil sich in der Schöpfung „die Sprache der göttlichen Liebe zeigt“, seien alle Christen angehalten, die Erde zu bewahren. Für ihn geht es um eine „ökologische Erziehung und Spiritualität“.
Dann aber kann es Papst Franziskus auch wieder ganz handfest – wie schon in seinem Schreiben „Evangelii Gaudium“, das mit seinem kapitalismuskritischen Zitat „Diese Wirtschaft tötet“ berühmt wurde. In „Laudato Si“ schreibt er, das „Privateigentum ist nicht absolut und unantastbar“, im Gegenteil sei „die Unterordnung des Privateigentums unter das Gemeinwohl die goldene Regel“ des Zusammenlebens.
Ein neuer Lebensstil
Der Papst pocht auf die „Generationengerechtigkeit“, er fordert, „das globale Entwicklungsmodell muss sich ändern“, es müsse „einen neuen Lebensstil“ jenseits des exzessiven Konsums geben und eine „ökologische Bekehrung“. Politik und Industrie findet er gerade in der Klimapolitik zu langsam, warnt aber auch vor einem Detail der Verhandlungen, den Emissionskrediten: Das eröffne „eine neue Form der Spekulation.“
Auf welche Gegenliebe Franziskus mit seiner „Kultur der Ökologie“ stößt, wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Im September wird er zu dem Thema vor der Vollversammlung der UNO in New York sprechen – und danach einen Besuch in den USA anhängen. Wieviel Begeisterung seinen Thesen zu Privateigentum und grüner Befreiungstheologie dort entgegenschlagen, wird sich zeigen.
Seit Monaten jedenfalls laufen konservative US-Katholiken – mehr allerdings noch rechtskonservative Evangelikale – gegen den Öko-Pontifex und seine Theologie Sturm.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“