Panzer für die Ukraine: Europäisches Leopard-Gewimmel
Mehr als 2.000 Leopard-2-Kampfpanzer gibt es in Europa. Doch ihr Potenzial zu aktivieren, ist schwierig.
Polen etwa ist ein Hauptnutzer mit 347 Panzern dieses Typs. Jedoch hat der Panzer bei den Polen keine Perspektive mehr. Bis vor Kurzem wollte Warschau seine Panzerwaffe noch über den deutschen Panzer stärken, doch Zukäufe kamen nicht zustande. Nun setzt Polen kurzfristig auf die Beschaffung gebrauchter US-amerikanischer Abrams-Panzer. Langfristig soll die Panzerflotte über eine Rüstungskooperation mit Südkoreas K2-Panzern ausgebaut werden. Die Möglichkeit zum Leopard-Verzicht öffnet somit Abgabepotenziale.
Doch schon die kleineren Ostflankenstaaten, die auf diesen Panzer setzen, haben andere Interessen. Ungarn, Tschechien und die Slowakei sehen ihre Leopard-2-Bestände dezidiert als Faktor eigener militärischer Ertüchtigung, um frei von „Feindtechnik“ zu werden und sich über westliches Gerät besser in Nato-Großverbände einzugliedern. Die letztgenannten Länder haben erst jüngst je 15 Leopard 2 über das sogenannte Ringtauschverfahren von Deutschland beschafft und dafür sowjetische Waffentechnik an die Ukraine abgegeben. Tschechiens Verteidigungsministerium sieht den Ringtausch als Sockelgeschäft, um künftig noch weitere Leopard 2 in der neuesten Konfiguration zu beschaffen.
Auch in Skandinavien ist das Leopard-2-Bild diffus. Norwegen wollte eigentlich bis Ende 2022 entscheiden, ob es weitere Leopard 2 im neuesten Rüststand A7 beschafft oder den südkoreanischen K2 wie Polen. Doch dann brach dazu ein Streit in der Armee aus. Der Befehlshaber der Streitkräfte, General Eirik Kristoffersen, möchte auf die Panzer verzichten und dafür in weitreichendes Feuer wie Raketenwerfer investieren. Andere hohe Militärs sind dagegen.
Geschrumpftes Reservoir, dosierte Abgaben
In Finnlands Politik gibt es Sympathien für eine Unterstützung der Ukraine mit Leopard-2-Panzern. Dessen Armee hat immerhin 100 Leopard 2 A6 und 100 alte A4 in Depots. So äußerte sich zuletzt der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Parlament, Antti Häkkänen, positiv zu einer finnischen Lieferung an die Ukraine. Allerdings nicht als Vorreiter, sondern als dosierte Abgabe im Fahrwasser der Großen wie Deutschland, sollte eine europäische Leopard-2-Versorgung für die Ukraine zustande kommen.
Diese Debatte ist inzwischen auch nach Dänemark geschwappt. Das modernisiert seine kleine Leopard-2-Panzerflotte gerade auf den neuesten Rüststand A7, hat aber mit einer Miniflotte von 44 Panzern keinen Raum für Abgaben. Schweden verfügt noch über 120 Leopard 2 der mittleren Entwicklungsstufe A5. An die 160 alte A4 Schwedens gingen einst zurück an die deutsche Industrie. Ein geschrumpftes Reservoir für Leopard-Geschäfte der letzten Jahre, wie die Ringtäusche.
Spanien prüfte im vergangenen Jahr, von seinen eingelagerten circa 100 Leopard-2-Panzern A4 einige an die Ukraine abzugeben. Doch deren technischer Zustand ist so schlecht, dass Polen einst auf einen Ankauf samt Instandsetzung verzichtete. Als aktive Flotte weist Military Balance immerhin noch 219 Leopard 2E für Spanien aus.
Die großen Leopard-2-Flottenbesitzer im Nato-Verbund Griechenland und die Türkei sind ein besonderer Schwachpunkt für eine Abgabe von Leopard-Panzern an die Ukraine. Denn die beiden Länder betreiben ihre Rüstung großteils gegeneinander. Kein Jahr vergeht ohne Drohungen der Nachbarn gegeneinander, die um Einfluss im Mittelmeer ringen. Athen sondiert mit Leopard-2-Produzent Krauss-Maffei Wegmann zurzeit die Modernisierung seiner Leopard 2 auf den neuesten Rüststand A7.
Die Türkei betreibt eine aggressive Sicherheitspolitik gegenüber ihren arabisch-kurdischen Nachbarn, mit Interventionen in den Irak und Syrien, wofür sie ihre Leopard 2 einsetzt. Wie Polen kooperiert die Türkei mit Südkorea, mithilfe von dessen K2-Technologie will sie einen eigenen Kampfpanzer „Altay“ herstellen. Doch dessen Serienreife verzögert sich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“