Panne beim Paypal-Stablecoin: Aus Versehen 300 Billionen Dollar Kryptoinflation gedruckt
Die Firma Paxos hat versehentlich 300 Billionen US-Dollar Stablecoins für den Bezahldienst Paypal erzeugt. Sie verbrannte überschüssige Coins sofort.
taz | Kryptogeld ist wohl doch kein Allheilmittel gegen Inflation: Der Stablecoin-Herausgeber Paxos hat versehentlich digitale Münzen geschaffen, die als Dollar-Stablecoins in der Summe theoretisch 300 Billionen US-Dollar wert sind. Paxos teilte auf der Onlineplattform X am Mittwoch mit, der technische Fehler sei bei einer internen Transaktion enstanden und schnell korrigiert worden. Die überschüssigen Stablecoins habe man verbrannt.
300 Billionen US-Dollar sind mehr als die globale Weltwirtschaftsleistung, die der Internationale Währungsfonds für dieses Jahr auf gut 117 Billionen US-Dollar schätzt. Betroffen ist der Stablecoin Paypal-USD, den die Firma Paxos für den Online-Bezahldienst Paypal ausgibt.
Stablecoins sind digitale Zahlungsmittel, deren Wert an andere Vermögenswerte geknüpft ist. Meist handelt es sich dabei um Zentralbankwährungen wie den US-Dollar. Paypal verspricht Nutzer*innen, einen Paypal-USD jederzeit gegen einen US-Dollar auszutauschen. Paxos betonte, es habe keine Sicherheitslücke gegeben und Kund*innen hätten nichts zu befürchten.
Auch Co-Pierre Georg, Professor of Practice in Digital Finance and Technology an der Frankfurt School of Finance & Management und Direktor ihres Blockchain Center, sieht wenig Anlass zu Sorge: „Das System hat den Stresstest bestanden. Trotz der Entwertung ist der Stablecoin nicht zusammengebrochen. Das ist erst einmal ein positives Zeichen.“ Sogenannte „Fat Finger Trades“ kenne man auch aus der traditionellen Finanzwelt: „Wenn einer den Finger zu lange auf der Null gehabt hat, dann werden die Zahlen sehr groß.“
Kryptoindustrie braucht Stresstests
Bis der Fehler korrigiert war, war der Stablecoin allerdings nicht abgesichert: Durch die zusätzlichen 300 Billionen Token gab es unverhältnismäßig viel mehr Stablecoins als Fiatgeld – also klassische Währung – bei Paxos, obwohl der Stablecoin-Emittent den Stablecoin eigentlich eins zu eins mit US-Dollar hinterlegen sollte.
Hätten die Paypal-USD-Halter*innen darauf panisch reagiert und alle Stablecoins gegen US-Dollar eintauschen wollen, wäre es zu einem sogenannten „Bank Run“ und zum Zusammenbruch des Stablecoins gekommen. Der konkrete Zusammenbruch des Paypal-USD hätte für die Kryptobörsen vermutlich keine größeren Folgen gehabt.
Bei einem zentralen Stablecoin wie Tether sähe dies Georg zufolge allerdings anders aus: Denn Stablecoins werden in der Regel zur Arbitrage genutzt, also um kleine Preisschwankungen zwischen Kryptobörsen auszugleichen. Bräche Tether durch einen „Bank Run“ zusammen, könnte dies zu einem Crash der Kryptobörsen führen.
Eine Gefahr sieht Georg daher vor allem darin, dass Paxos über 20 Minuten gebraucht hat, um den Fehler zu korrigieren. Das sei mehr als genug Zeit für einen solchen Bankenansturm und den Zusammenbruch des Stablecoins. Deswegen fände er es gut, öfters derartige Stresstests zu machen: „Banken machen regelmäßig solche Stresstests. Die Kryptoindustrie sollte das auch machen.“
Stablecoins bei Kund*innen sicher
Kund*innen, die fürchten, dass Paxos ihre Stablecoins genauso einfach vernichten könnte, können sich laut dem Professor beruhigt zeigen: „Paxos hat Stablecoins kreiert und an sich selbst geschickt. Deswegen haben sie gesagt, es war eine interne Transaktion.“ „Burning“, also das „Verbrennen“ der Stablecoins, hieße: „Sie haben es nachweislich an ein eigenes, internes Wallet geschickt, aus dem sie es nicht mehr rausholen können.“
Das ist normal, genau für solche Fälle gibt es diese Wallets, in denen man Coins unwiderruflich wegsperren, also „verbrennen“ kann, sagt Georg: „Das kann Paxos aber nicht einfach mit Stablecoins in einem anderen Wallet machen.“
Der Betrag in Höhe von 300 Billionen US-Dollar war auf der Plattform Etherscan zu sehen, auf der alle Transaktionen mit dem Paypal-Stablecoin nachverfolgbar sind. Auch wenn Paxos die überschüssigen Einheiten sofort verbrannt hat, wirft dies die Frage auf, ob Kryptocoins wirklich den Inflationsschutz bieten, der für Kryptoadvokat*innen ein zentrales Argument für Kryptowährungen ist.
Die Kryptowelt baut auf der Blockchain-Technologie auf: Blockchains sind digitale Datenketten, deren Informationsblöcke so miteinander verknüpft sind, dass eine nachträgliche Änderung die ganze Kette ungültig macht. Bei Bitcoin und vergleichbaren Kryptocoins werden alle Transaktionen in der Blockchain gespeichert, was eine transparente, fälschungssichere Buchführung ermöglicht.
Auch Bitcoin kann Inflation
Die Maximalmenge des Bitcoins ist auf 21 Millionen beschränkt. Derselbe technische Fehler wie bei Paxos kann auf dezentralen Blockchains wie Bitcoin nicht passieren, erklärt der Frankfurter Professor. Das hieße allerdings nicht, dass es bei Bitcoin keine Inflation gibt. Bitcoin-Inflation bestünde darin, dass die Blockchain kopiert und verdoppelt wird. Das sei bis 2019 dauernd passiert.
2017 entstand so zum Beispiel die Abspaltung Bitcoin Cash, die bis heute ein eigenständiges digitales Zahlungsmittel ist. Auch bei Ethereum, einem weiteren beliebten Kryptocoin, gab es 2016 eine solche Abspaltung. „Man hat plötzlich Geld im großen Stil gedruckt, obwohl Bitcoiner immer behauptet haben, diesen Mechanismus könne es bei ihnen nicht geben. Dass es bei Bitcoin keine Inflation gibt, ist einfach gelogen“, sagt Georg.
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