Palästinenserpräsident Abbas: Unbeliebt, aber schwer zu ersetzen
Die umstrittenen Äußerungen von Abbas finden in Palästina kaum ein Echo. Die Kritik aus Israel ist umso härter. Kooperation bleibt aber nötig.
![Der Bildschirm eines Smartphones zeigt eine Person am Rednerpult Der Bildschirm eines Smartphones zeigt eine Person am Rednerpult](https://taz.de/picture/5737179/14/abbas-scholz-1.jpg)
Anfang der 1980er Jahre legte der damalige Student der Literatur und Rechtswissenschaft eine Doktorarbeit vor, in der er den Holocaust relativiert haben soll. Und als Schatzmeister der Fatah-Bewegung soll er Mitwisser des Münchner Olympiaattentats im Jahr 1972 gewesen sein – also eben des Anschlags, nach dem er in der Berliner Pressekonferenz am Dienstag gefragt worden war.
Der mittlerweile kränklich, autoritär regierende 87-Jährige könnte unter den Palästinenser:innen kaum unbeliebter sein. 2005 ist er für vier Jahre gewählt worden – seitdem hat er oft neue Wahlen angekündigt, sie jedoch nie durchführen lassen.
Mit Äußerungen, wie der in Berlin, dürfte er beabsichtigen, an Zuspruch unter den Palästinenser:innen zu gewinnen. Doch das Echo in den arabischsprachigen Medien war dünn, das Nachrichtenportal Al Jazeera mit Sitz in Katar hielt das Vorkommnis keiner Meldung wert; und das Sprachrohr der Palästinensischen Autonomiebehörde Wafa berichtete lediglich, dass Abbas Deutschlands Friedensbemühungen gepriesen hatte.
Scharfe Verurteilung aus Israel
Ganz anders wurde seine Rede in Israel wahrgenommen. Der israelische Ministerpräsident Yair Lapid verurteilte die Äußerungen scharf: Sie seien nicht nur eine moralische Schande, sondern eine „ungeheuerliche Lüge“: „Sechs Millionen Juden wurden im Holocaust ermordet, darunter eineinhalb Millionen jüdische Kinder. Die Geschichte wird ihm niemals verzeihen.“ Lapid ist selbst Sohn eines Holocaustüberlebenden.
Auch der Vorsitzende der Gedenkstätte Yad Vashem, Dani Dayan, bezeichnete die Worte von Abbas als „abscheulich“ und forderte die deutsche Regierung auf, angemessen zu reagieren.
Eine andere Stimme brachte der israelische Investigativjournalist Raviv Drucker in die innerisraelische Debatte. Er bezeichnete auf Twitter die Worte von Abbas zwar als „unglücklich“, aber hält die israelische Reaktion darauf für problematisch. Er betont, dass Abbas seit 18 Jahren gegen Terrorismus und Gewalt kämpfe und – anders als etwa die Terrororganisationen Hamas oder Islamischer Jihad – von einer Zwei-Staaten-Lösung spreche. „Heute fehlt nicht mehr viel, dass wir Abu Masen [Mahmoud Abbas] vermissen werden“, schrieb er.
Tatsächlich dürfte Abbas' Äußerung die rechten Kräfte in Israel stärken, und damit diejenigen, die Friedensgespräche Verhandlungen mit den Palästinenser:innen ablehnen und betonen, es gäbe auf palästinensischer Seite keinen Verhandlungspartner.
Israel braucht weiter die Kooperation mit Abbas
Doch auf die Zusammenarbeit mit der Autonomiebehörde wird Israel allen Aussagen von Abbas zum Trotz auch weiterhin angewiesen bleiben.
Das betonte der zentristische Verteidigungsminister Benny Gantz. Er verurteilte ebenfalls die Äußerungen, verteidigte aber auf Twitter die Zusammenarbeit mit der Autonomiebehörde und forderte den Palästinenserführer auf, den Holocaust-Vergleich zurückzunehmen.
Gantz hatte sich im vergangenen Jahr mehrmals mit Abbas getroffen, einmal sogar in seinem privaten Wohnhaus. Diese Treffen markierten zwar nicht den Beginn von Friedensverhandlungen – doch sie brachten frischen Wind in die eisige Kälte, die während der Ära Benjamin Netanjahu zwischen der palästinensischen Führung und der israelischen Regierung herrschte.
Abbas ruderte derweil am Mittwoch zurück, laut der israelischen Nachrichtenseite Ynet wohl nach „starkem Druck“ aus Israel. Er widerrief seine Behauptung vom Vortag und sagte, er habe lediglich auf israelische Verbrechen hinweisen wollen. Auch bekräftigte er, dass „der Holocaust das abscheulichste Verbrechen der modernen Menschheitsgeschichte“ sei.
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