Palästinenser demonstrieren gegen Israel: Dutzende Tote und 2.700 Verletzte
Tausende Palästinenser haben teils gewaltvoll an der Grenze zu Israel demonstriert. Die israelische Armee erschoss mindestens 59 Menschen.
JERUSALEM ap | Die Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem hat an der Grenze zum Gazastreifen schwere Unruhen nach sich gezogen. Mindestens 59 Palästinenser wurden am Montag von israelischen Sicherheitskräften erschossen, als sie an gewaltvollen Protesten vor Ort teilnahmen. Für den Tod der Demonstranten wurde zwar überwiegend die Hamas verantwortlich gemacht, aber auch an den USA regte sich Kritik. Der UN-Sicherheitsrat will über die Lage beraten.
Die tödliche Gewalt vom Montag war die folgenschwerste Eskalation seit dem Gazakrieg 2014. Es gab mehr als 2.700 Verletzte, die Schusswunden erlitten oder Tränengas abbekamen. Kuwait beantragte eine Sitzung des Weltsicherheitsrats, die am Dienstag stattfinden sollte. Während der palästinensische UN-Botschafter das Gremium aufforderte, die Tötungen zu verurteilen, drang dagegen Israels Botschafter auf eine Verurteilung der radikalislamischen Hamas. Die Gruppe regiert im Gazastreifen und hat die Proteste angeführt.
Ungeachtet der internationalen Reaktion und der Zahl der Toten sprach US-Präsident Donald Trump von einem „großen Tag für Israel“. Er betonte den Wunsch der USA, weiterhin Vermittler im Nahostkonflikt sein zu wollen. Ähnlich äußerten sich der US-Botschafter in Israel, David Friedman, und das Weiße Haus. Friedman erklärte im Sender Fox News, er sei zuversichtlich, bald werde wieder über den Friedensprozess gesprochen. US-Regierungssprecher Raj Shah sagte, ein Friedensplan werde „zu angemessener Zeit“ vorgestellt.
Der palästinensische Unterhändler Saeb Erekat reagierte indes mit Ablehnung auf die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem. Washington sei „nicht länger Partner und Vermittler“, sagte er. Die Vereinigten Staaten seien „Teil des Problems“ geworden und nicht der Lösung. „Trumps Regierung ist das größte Problem.“
Erekat sagte, der palästinensische Präsident Mahmud Abbas habe gemeinsam mit anderen hochrangigen Vertretern der Palästinensischen Befreiungsorganisation PLO beschlossen, Israel wegen der Vorfälle am Montag vor den Internationalen Strafgerichtshof bringen zu wollen. Sie warfen der israelischen Regierung Kriegsverbrechen vor.
Türkischer Botschafter abgezogen
Auch aus Ankara gab es scharfe Einwände. Die türkische Botschaft in Washington erklärte, deren Botschafter sei aus Protest in die Heimat abgezogen worden. Zudem berief die Türkei ihren Botschafter in Israel für Konsultationen zurück. Die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem sei „juristisch null und nichtig“, hieß es aus dem türkischen Außenministerium. Sie missachte die legitimen Rechte des palästinensischen Volkes. Die tödliche Gewalt wurde als „Massaker“ verurteilt.
Israel hatte vor den von der Hamas organisierten Massenprotesten gewarnt, es werde um jeden Preis seine Grenze verteidigen. Zusätzliche Einheiten waren an die Grenze verlegt worden und die Soldaten hatten Schießbefehl, sollten Palästinenser versuchen, die Grenzanlagen zu durchbrechen.
Neben den USA sah auch Australien die Verantwortung für die Gewalt bei der Hamas. Ministerpräsident Malcolm Turnbull sagte am Dienstag, die Gruppe habe es auf Konfrontation angelegt. „In dieser Konfliktzone stoßen sie Menschen praktisch in Umstände hinein, in denen es sehr wahrscheinlich ist, angeschossen zu werden.“ Einen Umzug der australischen Botschaft nach Jerusalem schloss er aus. Außenministerin Julie Bishop forderte Israel auf, mit Maß zu reagieren.
„Wie wir bei den Protesten im vergangenen Monat und auch heute gesehen haben, sind jene, die Gewalt provozieren, Teil des Problems und nicht Teil der Lösung“
Ähnliches hatte zuvor auch EU-Chefdiplomatin Federica Mogherini gesagt, die Israel zur Wahrung des „Prinzips der Verhältnismäßigkeit“ aufforderte. Einige EU-Außenminister bezeichneten den US-Botschaftsumzug als unklugen Schritt. Eine „ohnehin bereits sehr angespannte Lage wird aufgeheizt“, sagte der irische Außenminister Simon Coveney. Sein niederländischer Kollege Stef Blok sagte: „Wir betrachten die Verlegung der Botschaft nicht als eine kluge Entscheidung.“
Trump hatte in einer Videobotschaft zur Eröffnung gesagt, er reiche „Israel, den Palästinensern und allen ihren Nachbarn die Hand der Freundschaft“. Der Präsident nahm an der feierlichen Eröffnung nicht selbst teil, hatte aber unter anderem seine Tochter Ivanka und deren Mann Jared Kushner geschickt. Dieser sagte: „Wie wir bei den Protesten im vergangenen Monat und auch heute gesehen haben, sind jene, die Gewalt provozieren, Teil des Problems und nicht Teil der Lösung.“
Der Umzug der US-Botschaft fällt zeitlich mit den israelischen Feiern des 70. Jahrestags der Staatsgründung zusammen. Für die Palästinenser ist dagegen der 15. Mai der Tag der großen Katastrophe – der „Nakba“ – wegen der Vertreibung vieler palästinensischer Familien aus dem heutigen Israel.
Leser*innenkommentare
christine rölke-sommer
wenn's die hamas nicht gäbe, mann müßte sie glatt erfinden...
BigRed
Laut dem Artikel übersetzt sich "Für den Tod der Demonstranten wurde zwar überwiegend die Hamas verantwortlich gemacht" in Israel, die USA und Australien.
Die PLO, die Türkei, Kuwait und selbst die EU sehen das anscheinend anders.
Insofern ist die "Einordnung" im ersten Absatz schlicht Meinungsmache.
1red1white
Für den Tod der Demonstranten wurde zwar überwiegend die Hamas verantwortlich gemacht......
Was für eine Berichterstattung! Die Hamas ist dafür verantwortlich,wenn israelische Soldaten auf unbewaffnete Demonstranten schießen,darunter unzählige,die noch nicht einmal 16 jahre alt sind und wie immer behauptet Israel,dass für alles die Hamas verantwortlich sei.
Stellt euch mal vor deutsche Polizisten und Soldaten hätten bei dem G20 treffen in Hamburg auch auf die Demonstranten geschossen und über 100 Menschen getötet darunter Kinder.
ICH SOLLTET ECHT EINMAL DARÜBER NACHDENKEN! DEUTSCHLAND WACH ENDLICH AUF!
BluesBrothers
@1red1white Ja wie in Ihrem letzten Satz, wenn auch grammatikalisch falsch so doch inhaltlich richtig dargestellt, sollten Sie "DARÜBER NACHDENKEN"
agerwiese
Eigentlich mein ganzes Leben lang war ich so etwa wie ein Fan des jüdischen Staates. Etwa vor paar Monaten began ich die englischsprachigen Ausgaben der israelischen Presse (JP, Haaretz) zu lesen und habe ein Abgrund an Rassismus, Hass und fast biologicher Überheblichkeit vorgefunden. Dies lässt sich nicht alleine mit der gewissen Frontstellung des staates erklären. Meine Sicht ist seitdem sicherlich eine andere.
BluesBrothers
@agerwiese Man findet oft das, was man sucht.
Nicky Arnstein
„Frieden wird es geben, wenn die Araber ihre Kinder mehr lieben, als sie uns hassen.“
(„Peace will come when the Arabs will love their children more than they hate us.“)
Golda Meir, israelische Außenministerin, vor dem National Press Club in Washington, 1957.
81622 (Profil gelöscht)
Gast
Frau Arnstein, Sie leben in einer fiktiven Welt:
Frieden wird es nur dann geben, wenn die völkerrechtswidrige Annektion Palästinas beendet ist und rückgängig gemacht wird.
Der dreiste Diebstahl des palästinesischen Landes, wird nicht dadurch legal, indem das Opfer zum Täter und der Täöter zum Opfer gemacht wird.
BigRed
Meir hat das israelische Vorgehen aber durchaus korrekt beschrieben: wenn man gegen die israelische Besatzung demonstriert, wird man erschossen.
Also werden palästinensische Eltern, die ihre Kinder nicht sterben sehen wollen, alles dafür tun, um sie dazu zu erziehen, das Maul zu halten, egal, was die israelische Regierung und Armee auch machen.
Und die daraus resultierende Stille kann man durchaus auch "Frieden" nennen.
Nicky Arnstein
@81622 (Profil gelöscht) Was? Gaza ist annektiert worden? Mmmm. Und dabei dachte ich, dass die Israelis 2005 aus Gaza raus sind.
Sebas.tian
@Nicky Arnstein Keine Details, bitte...
Sven Günther
@81622 (Profil gelöscht) Und warum sollte Israel das tun?
97796 (Profil gelöscht)
Gast
@Nicky Arnstein Auf den Punkt. Danke.
LittleRedRooster
„Frieden wird es geben, wenn (...)"
Ich denke, das gilt für alle Beteiligten. Insbesondere aber für jeden Einzelnen, egal welcher Nationalität, Religion oder Rasse.
Ein passender Denk-mal-Song hierzu: https://www.youtube.com/watch?v=ZFrDsmp-JkQ&list=PLAB44794200840E8D&index=3&t=0s