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Pakistan in der KriseUnruhen nach Festnahme Khans

Imran Khan, Pakistans Ex-Premier, wurde verhaftet. Die darauffolgenden Unruhen dürften der Wirtschaft weiter schaden.

Anhänger des Ex-Präsidenten Khan protestieren am Dienstag in Lahore und anderen Städten Pakistans Foto: K.M. Chaudary/ap

Mumbai taz | Wieder einmal steht Imran Khan im Rampenlicht. Bilder des 70-jährigen pakistanischen Ex-Premiers gingen viral, als er am Dienstag von Paramilitärs umzingelt und in ein gepanzertes Auto verfrachtet wurde. Er war zu einer Gerichtsanhörung in der Hauptstadt Islamabad erschienen und dort spektakulär festgenommen worden. Seitdem gibt es landesweite Proteste und Unruhen in dem ohnehin instabilen Land.

Noch am Tag seiner Verhaftung setzten Demonstranten Polizeifahrzeuge in Brand und warfen Steine, während die Polizei Tränengas einsetzte, berichteten lokale Medien. In Lahore, der drittgrößten Stadt des Landes, stürmten Khan-Anhänger die offizielle Residenz eines Armeekommandeurs.

Als Reaktion wurden die Zugänge zum mobilen Internet und zu sozialen Medien unterbrochen. Knapp 1.000 Personen wurden allein in der östlichen Provinz Punjab festgenommen. Mindestens vier Personen kamen bei den Protesten Medienberichten zufolge ums Leben. Dutzende wurden verletzt.

Es werden immer wieder gewalttätige Zusammenstöße zwischen Anhängern Khans und den Sicherheitskräften gemeldet. Der Vorsitzende von Khans Partei PTI im westlichen Belutschistan, Munir Baloch, beschuldigte die Polizei, auf Demonstranten geschossen zu haben. Khans Anhänger werfen den Behörden vor, ihn entführt zu haben.

Anklage gegen Khan erhoben

Der frühere Cricket-Star wurde am Mittwoch von einem Sondergericht im Polizeipräsidium in Islamabad wegen Bestechung angeklagt. Er soll zunächst acht Tage in Haft bleiben, ein Urteil wurde noch nicht gefällt. Weitere hochrangige Mitglieder seiner Partei wurden am Mittwoch verhaftet. Khan mutmaßte, man wolle ihn hindern, bei Wahlen anzutreten. Die werden für Herbst erwartet.

Auch in Islamabad und Karachi kam es zu Protesten, ebenso in Großbritannien, den USA und Kanada, wo es jeweils eine größere Diaspora gibt. Besorgte Worte kamen auch aus dem verfeindeten Indien: Ein instabiles Pakistan sei für alle Länder, auch für Indien gefährlich, so der Ex-Ministerpräsident des damaligen Bundesstaates Jammu und Kaschmir, Farooq Abdullah. Die EU erklärte, „dass in solch schwierigen und angespannten Zeiten Zurückhaltung und Besonnenheit geboten sind“.

Pakistans Militär hatte Khan gewarnt, keine „unbegründeten Anschuldigungen“ gegen die mächtige Institution zu erheben. Laut den Behörden wurde Khan im Zusammenhang mit der Übertragung eines Grundstücks für eine Universität verhaftet, was aber nur einer von an die 100 Vorwürfen gegen ihn ist, die seine Anhänger für fabriziert halten.

Khan war im April 2022 vom Parlament durch ein Misstrauensvotum abgesetzt worden. Er war 2018 als Reformer angetreten und genießt in der Bevölkerung hohes Ansehen, nicht zuletzt wegen seiner früheren Karriere als Cricket-Star. Er hatte jedoch das Vertrauen des mächtigen Militärs verloren.

Khan akzeptierte das parlamentarische Misstrauen nie

Khan akzeptierte seine Niederlage im Parlament nie und machte eine Verschwörung der US-Regierung für seinen Sturz verantwortlich, für die er keine Beweise vorlegte und die Washington zurückwies.

Sein Nachfolger Shehbaz Sharif befand sich jetzt bei Ausbruch der Unruhen noch in London, wo er zur Krönung von König Charles III. war. Sharif beschuldigte Khan, die Armee zu diffamieren und Unwahrheiten zu verbreiten.

Unter den 230 Millionen Einwohnern Pakistans ist die Sorge wegen der Wirtschaftskrise groß. Letzten Sommer erlebte das Land die schlimmsten Überschwemmungen seiner Geschichte. Die Rupie hat gegenüber dem Dollar stark an Wert verloren und fällt weiter. Nun droht eine Zahlungsunfähigkeit, da die Unruhen Kredite des Internationalen Währungsfonds wohl verzögern dürften.

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