Misstrauensvotum gegen Premier Khan: Pakistans Regierungschef gestürzt

Imran Khan konnte seine Absetzung auch nicht mit dem Rückgriff auf Verschwörungstheorien verhindern. Er hatte auch die Gunst der Generäle verloren.

Fahnenschwenkende jubelnde Männer in langen Gewändern

Nach dem Sturz von Imran Khan: Nächtlicher Jubel auch in Karatschi Foto: Fareed Khan/ap

MUMBAI taz | Jubel ertönte auf den Straßen von Pakistans Hauptstadt Islamabad in der Nacht zum Sonntag. Menschen tanzten dort, Autokorsos waren mit der weiß-grünen Nationalflagge geschmückt unterwegs, nachdem feststand, dass sich Imran Khan nicht länger im Amt des Premierministers halten konnte.

Der 69-jährige Ex-Cricketstar Khan hatte es scheinbar darauf angelegt, seinen Abgang so dramatisch wie möglich zu inszenieren. Denn dass er abtreten musste, stand fest, seit seine Gerechtigkeitspartei PTI einen Koalitionspartner verloren hatte und die Opposition von links bis hin zu den Islamisten sich gegen ihn verbündet hatte.

Vor einer Woche hatte Khan noch versucht, dem angesetzten Misstrauensvotum mit einer Auflösung des Parlaments zuvorzukommen. Diesen Schritt erklärte das Oberste Gericht jedoch am Donnerstag für verfassungswidrig, setzte das Parlament wieder ein und ordnete für Samstag das Misstrauensvotum an.

Verzögerungstaktik half nicht

Das konnte Khans PTI noch bis gegen Mitternacht verzögern. Doch dann enthoben ihn eine Mehrheit von 174 der 342 Abgeordneten des Amtes. Der Abstimmung blieben Khan und die PTI-Abgeordneten fern.

Schon am Montag könnte ein Nachfolger gewählt werden, wenn das Parlament ab 14 Uhr erneut zusammenkommen soll. Als wahrscheinlicher neuer Regierungschef gilt Oppositionsführer Shehbaz Sharif von der konservativen Muslimliga (PML-N). Er war bereits Regierungschef im Punjab und ist der jüngere Bruder des früheren mehrfachen Premiers Nawaz Sharif. Der wurde wegen Korruption verurteilt und lebt im Exil.

Manche feierten Khans Sturz als Sieg der Demokratie. Bereits Anfang März hatte die Opposition einen Misstrauensantrag gegen ihn eingereicht. Die Unzufriedenheit mit der Wirtschaftspolitik seiner Regierung war stark gewachsen. Vor allem die hohe Inflation sorgt für Kritik. Ende März verlor der Premier dann die Mehrheit in der Nationalversammlung, als sich sein kleiner Koalitionspartner MQM-P der Opposition anschloss.

Aus der Trickkiste zauberte Khan am Freitagabend noch eine emotionale Rede an die Nation. Er rief seine Anhänger zum Protest auf und betonte zum wiederholten Mal, bei seinem geplanten Sturz handle es sich um eine Einmischung der USA. „Ich werde nicht zulassen, dass die globale Verschwörung Erfolg hat“, äußerte sich Khan.

Khan hatte mit seinem Besuch in Moskau ausgerechnet am Tag des russischen Angriffs auf die Ukraine für Kritik gesorgt. Seit der Staatsgründung 1947 gelten die USA als Pakistans Partner, dabei hatte sich Islamabad die letzten Jahre immer weiter an China und zuletzt auch an Russland angenähert.

Khan und Militär blicken unterschiedlich auf die USA

Doch erklärte die mächtige Militärführung im Unterschied zu Khan, dass sie auf ein gutes Verhältnis zu Washington nicht verzichten wolle und kritisierte im Unterschied zu Khan den russischen Angriffskrieg. Die US-Regierung wies Khans Vorwürfe der Einmischung zurück, für die er bisher auch keine Beweise vorlegte.

Das Militär hatte einst den sich als populistischen Reformer gerierenden Khan bevorzugt, war zuletzt aber nach einem Streit über die Besetzung von Führungsposten auf Distanz zu ihm gegangen.

Bisher hat in Pakistan noch kein Premier seine volle fünfjährige Amtszeit überstanden. Khan, der 2018 gewählt worden war, ist der Erste, der durch ein Misstrauensvotum gestürzt wurde.

„Imran Khan entgleiste, wie es bekanntermaßen seine Art ist, verbal in alle Richtungen – und wurde dafür selbst von seinen Koalitionspartnern kritisiert“, sagt der Islamwissenschaftler Thomas Gugler von der Goethe-Universität in Frankfurt/Main der taz. Die Bevölkerung sei es leid gewesen, immer seine gleichen Versprechen vom wirtschaftlichen Aufschwung zu hören, die für die meisten Versprechen blieben.

Kein außenpolitischer Kurswechsel zu erwarten

Der Erfolg des Misstrauensvotums ist „im Ergebnis gut für Demokratie und Rechtsstaat,“ kommentiert Niels Hegewisch, der das Büro der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Islamabad leitet, gegenüber der taz. „Aber der Weg dorthin hat der pakistanischen Demokratie geschadet. Khans Verschwörungstheorien, die verfassungsrechtlichen Tricksereien und die parteipolitische Polarisierung sind ein schweres Erbe.“

Wie viele Länder Südasiens geht auch Pakistan aus der Coronapandemie geschwächt hervor. Die Unzufriedenheit mit Khans PTI zeigte sich laut Gugler bereits bei Kommunalwahlen im Dezember, bei denen Islamisten siegreich waren. Bei möglichen Neuwahlen sieht er radikale Kräfte aber nicht unbedingt erstarken. Auch sei dann ein Comeback Khans nicht ausgeschlossen. In Teilen der Bevölkerung hat er weiter Rückhalt. Einen gravierenden außenpolitischen Kurswechsel der Atommacht Pakistan erwartet Gugler nach Khans Sturz nicht.

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