Menschenrechte in Pakistan: Lynchmord wegen Blasphemie

Ein Mann, dem Blasphemie vorgeworfen wurde, wird aus einer Polizeistation gezerrt und totgeprügelt. Ähnliche Fälle gibt es in Pakistan immer wieder.

Polizist in einer Polizeistation

Polizeistation im pakistanischen Warburton, hier wurde ein Mann von einem Mob gelyncht Foto: K.M. Chaudary/ap

MUMBAI taz | Die aufgebrachte Menge schien sich nicht aufhalten zu lassen. In Nankana Sahab in der pakistanischen Provinz Punjab stürmten am Wochenende Menschen in eine Polizeistation, in der sich ein Mann befand, der der „Schändung des heiligen Korans“ beschuldigt wurde. Das ist ein in Pakistan schwerwiegender Vorwurf.

Muhammad Waris überlebte ihn nicht. Die Angreifer zerrten den Betroffenen aus der Wache, entblößten ihn und prügelten den Mann zu Tode. Danach versuchten sie, den Leichnam anzuzünden. So lässt sich die Tat auf Videoaufnahmen, die in den sozialen Medien geteilt wurden, rekonstruieren.

Premierminister Shehbaz Sharif verurteilte den Mord und ordnete eine Untersuchung an. „Warum hat die Polizei den gewalttätigen Mob nicht gestoppt? Die Rechtsstaatlichkeit sollte gewährleistet sein“, äußerte sich Sharif. In dem mehrheitlich muslimischen Land gab es in der Vergangenheit eine Reihe von Fällen, in denen Mobs Menschen töteten, die angeblich den Islam beleidigt hätten.

Bei dem Fall im Februar handelt es sich um den jüngsten religionsbedingten Mord in Pakistan. Medienberichten zufolge wurde das Opfer im Juni 2022 vom Vorwurf der Blasphemie von einem Gericht eigentlich freigesprochen.

Immer wieder werden Menschen gelyncht

Der Lynchmord an einem sri-lankischen Fabrikmanager, ebenfalls im Osten Pakistans, im Jahr 2021 hatte damals für große Empörung gesorgt. Auch hier wurde das Opfer der Blasphemie beschuldigt und getötet. Als harte Antwort der Regierungen wurden sechs Beteiligte zum Tode verurteilt, wohl um einen Präzedenzfall gegen Selbstjustiz zu schaffen. Allerdings scheint die Abschreckung nur bedingt zu wirken. Blasphemie wird in Pakistan mit einer Varianz von Strafen, von der Geld- bis zur Todesstrafe, belegt.

Und es trifft nicht nur Menschen: Erst Anfang Februar war die Online-En­zy­k­lo­pä­die Wikipedia für mehrere Tage – ebenfalls wegen Blasphemie-Vorwürfen – gesperrt worden. Das veranlasste die pakistanische Telekommunikationsbehörde PTA, wurde aber von Premierminister Sharif wieder aufgehoben. Men­schen­recht­le­r:in­nen beklagen ein Muster von zunehmender staatlicher Zensur von gedruckten und elektronischen Medien. Wegen ähnlicher Vorwürfe waren YouTube, Facebook und Wikipedia bereits in der Vergangenheit zeitweise in Pakistan gesperrt gewesen.

Seit 1927 sind Beleidigungen der Gründer oder Führer einer Religionsgemeinschaft eine Straftat. Auch im pakistanischen Strafgesetzbuch, in den Artikeln 295 bis 298, ist das verankert. Besonders scharf ist die Verurteilung im Zusammenhang mit Herabsetzungen des Propheten der Muslime, Mohammed. Zu Beginn des Jahres wurden die Blasphemie-Gesetze noch einmal verschärft. Wer nahe Verwandte des Propheten beleidigt, riskiert lebenslange Haft. Minister Riaz Hussain Pirzada regte nach der Tat an, das rückgängig zu machen.

Laut Menschenrechtsgruppen werden die Blasphemiegesetze auch zur Verfolgung von Minderheiten und persönlicher Rivalen gegenüber anderen Muslimen missbraucht. Der bekannteste Fall ist wohl der der Christin Asia Bibi, die vom Vorwurf der Blasphemie freigesprochen wurde, aber aus Sicherheitsgründen 2019 das Land verließ, nachdem sie von Extremisten bedroht wurde.

89 Bür­ge­r:in­nen außergerichtlich getötet

Im vergangenen Jahr gab die pakistanische Denkfabrik Centre for Research and Security Studies bekannt, dass seit der Unabhängigkeit Pakistans 89 Bür­ge­r:in­nen außergerichtlich in Zusammenhang mit Blasphemie-Vorwürfen getötet wurden. Die tatsächliche Zahl dürfte aber noch höher sein.

Der Minister für Menschenrechte, Riaz Hussain Pirzada, betonte in einem Brief an Sharif, dass der Staat die Pflicht habe, religiöse Minderheiten zu schützen. Dies sei sowohl ein islamisches Gebot als auch eine verfassungsmäßige Verpflichtung.

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