Paket zu Justizreformen im Bundestag: Für straffere Strafprozesse
Die Koalition plant auf Vorschlag der Justiz Einschnitte bei Beweis- und Befangenheitsanträgen. Anwälte und Opposition kritisieren das Vorhaben.
„Wir wollen verhindern, dass Strafprozesse erheblich verzögert werden oder gar platzen, weil Verfahrensrechte missbraucht werden“, sagte Johannes Fechner, der rechtspolitische Sprecher der SPD. Seine CDU-Kollegin Elisabeth Winkelmeier-Becker erinnerte an den Prozess gegen 26 Neonazis vom Aktionsbüro Mittelrhein, der 2017 nach viereinhalb Jahren eingestellt wurde, als der vorsitzende Richter in Pension ging. „Zuvor gab es 240 Beweisanträge und 500 erfolglose Befangenheitsanträge“, so Winkelmeier-Becker.
Schon bisher können Beweisanträge abgelehnt werden, wenn sie „zum Zweck der Prozessverschleppung gestellt“ wurden. In der gerichtlichen Praxis wird dieser Ablehnungsgrund aber wenig genutzt. Denn bisher musste ein derartiger Beweisantrag geeignet sein, den Prozess „erheblich“ zu verzögern. Auf dieses Merkmal will die Koalition künftig verzichten, es genügt dann eine vermeintliche Verschleppungsabsicht. Außerdem sollen solche Anträge künftig leichter abgelehnt werden können, indem ihnen von vornherein der Charakter eines „Beweisantrags“ verweigert wird.
Heftige Kritik der Anwälte findet auch die von der Bundesregierung geplante Verschärfung des Befangenheitsrechts. Ein abgelehnter Richter soll künftig zwei Wochen weiterverhandeln können, bis über den Antrag entschieden ist. Der Deutsche Anwaltverein befürchtet, dass keine „unbeeinflusste Entscheidung“ über den Befangenheitsantrag mehr möglich ist, wenn bei einer Stattgabe bis zu zwei Wochen Prozessgeschehen wiederholt werden müssten.
Die Richter sind dafür
Dagegen hatte der Deutsche Richterbund die Vorschläge der Koalition als „erfreulich“ bewertet. Sie könnten „die Verfahrensführung vereinfachen, ohne berechtigte Interessen der Angeklagten zu beschneiden“. Das Lob wundert nicht, die Koalition hatte vor allem Vorschläge aus der Justiz aufgegriffen.
Die Opposition im Bundestag schlug sich aber eher auf die Seite der Anwälte. FDP, Grüne und Linke kritisierten die Verschärfungen im Verfahrensrecht. „Es wäre ehrlicher, von einem Gesetz zur Beschneidung von Beschuldigten- und Angeklagtenrechten zu sprechen“, sagte Friedrich Straetmanns, Abgeordneter der Linken. Auf den Neonazi-Prozess von Koblenz ging allerdings keiner der Kritiker ein.
Überraschend kündigte Justiz-Staatssekretär Christian Lange (SPD) im Bundestag die Einsetzung einer Expertenkommission an. Sie soll prüfen, „ob und wie Strafverfahren audio-visuell dokumentiert werden können“. Bisher sind Ton- und Bild-Aufzeichnungen von Strafprozessen auch für interne Zwecke nicht erlaubt, die Richter stützen sich auf ihre handschriftlichen Notizen.
Deutschland ist hier international belächeltes Schlusslicht, weil die Richter bisher jede Reform ablehnen. FDP, Grüne und Linke begrüßten Langes Ankündigung. „Vielleicht kommt es ja noch zu einer wirklichen Modernisierung“, erklärte die Grüne Canan Bayram. Die CDU/CSU sagte zumindest nichts gegen die Ankündigung des Staatssekretärs.
Das Gesetzespaket zur Modernisieriung der Strafverfahren umfasst 12 Einzelpunkte, unter anderem die DNA-Analyse von Tatortspuren auf Hautfarbe und Alter des mutmaßlichen Täters. Nächsten Montag ist eine Experten-Anhörung vorgesehen. Schon Ende der Woche soll das Paket im Bundestag beschlossen werden.
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