Pädophile Täter bei Berliner Grünen: Jahrelanger Missbrauch
Der Missbrauch von Kindern durch Mitglieder der Berliner Alternativen Liste war bekannt – gemaßregelt wurden aber nur die Kritiker.
BERLIN taz | In der Grünen-Partei fanden nicht nur pädosexuelle Diskurse einen Platz, sondern auch Täter: In Berlin haben mindestens zwei Parteimitglieder jahrelang Jungen sexuell missbraucht.
Fred Karst und Dieter Ullmann waren Mitglied der Alternativen Liste, der Vorgängerorganisation des Grünen-Landesverbands. Trotz mehrfacher Verurteilungen hatten sie in der Partei weiter Einfluss auf sexualpolitische Themen. Womöglich hat es in Berlin noch mehr Täter mit grünem Parteibuch gegeben.
Diese Erkenntnisse stammen aus einem Bericht der parteiinternen Pädophilie-Aufarbeitungs-Kommission (pdf-Datei), den die Landesvorsitzenden Bettina Jarasch und Daniel Wesener am Mittwoch vorstellten. Vorherige Berichte, nach denen es bis zu zehn Täter mit Parteibuch und bis zu 1.000 Opfer sexueller Gewalt in Berlin gegeben habe, dementierten die Landesvorsitzenden aber.
Der 90-seitige Bericht dokumentiert, wie umfassend sich Pädophiliebefürworter und verurteilte Pädosexuelle bei den Berliner Grünen ausgebreitet haben. Untersucht wurde der Zeitraum von der Gründungsphase der AL Ende der siebziger bis Mitte der neunziger Jahre.
Vieles war bereits bekannt: Etwa die Umtriebe des „Bereichs Schwule der AL“, der die Legalisierung von „einvernehmlichem Sex“ mit Kindern propagierte, oder die Lobbyistengruppe „Jung und Alt“, gegründet von Fred Karst.
Kandidatur aus dem Knast
Dennoch ist der Bericht aufsehenerregend, zeigt er doch erstmals im Detail, wie einflussreich pädophiliefreundliche Aktivisten und Positionen in der Partei waren. So kandidierte der bekennende Pädosexuelle Dieter F. Ullmann aus dem Gefängnis heraus für das Berliner Abgeordnetenhaus – er saß wegen Kindesmissbrauchs ein.
Bis 1989 durfte er in der Partei seine sexualpolitischen Themen vertreten. Auch gegen den Parteiausschluss des Pädosexuellen Fred Karst, der von zwölf Parteimitgliedsjahren sechs im Gefängnis verbrachte, gab es Widerstand – man verwies auf die Toleranz, die auch für „Minderheitenmeinungen“ gelten müsse. Karst trat 1995 freiwillig aus der Partei aus. Noch 1993 hatte er versucht, Gelder für die Anmietung einer Wohnung zwecks „Hausaufgabenhilfe“ zu bekommen.
Karst war Teil eines damals schon bekannten Netzwerks – er gehörte zu den Gründern des „Falckensteinkellers“, einer Nachmittagsbetreuung in Kreuzberg, in der Jungen sexuell missbraucht wurden. Auch andere „ALer“ waren Teil des Netzwerks, etwa das „Schwulenbereich“-Mitglied Peter Schnaubelt, dem während seiner Mitgliedschaft aber keine Straftaten nachgewiesen werden konnten und der deshalb im Bericht nicht als Täter auftaucht.
Vermutlich noch mehr Täter
Dass es weitaus mehr Täter (und Opfer) gegeben haben muss, lassen im Bericht zitierte Zeitzeugeninterviews mit Sozialarbeiterinnen und Grünen-Frauen vermuten. Die Frauen machten bereits Mitte der Achtziger im Parteiblatt „Kreuzberger Stachel“ auf den Kindesmissbrauch in alternativen Kreuzberger Freizeiteinrichtungen aufmerksam – und wurden von Parteigremien öffentlich dafür gemaßregelt. Erst nach 1995 verloren die Pädoaktivisten an Einfluss.
Bettina Jarasch betonte am Mittwoch, dass der Bericht kein Abschluss sei – die Aufarbeitung gehe weiter. Sie entschuldigte sich für das „institutionelle Versagen“ ihrer Partei und forderte mögliche Opfer auf, sich zu melden. Jarasch und ihr Co-Chef Wesener kündigten Entschädigungszahlungen an. Und sie versprachen, auch denen zu helfen, die nicht im unmittelbaren Parteigefüge Opfer geworden seien.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga