Overtourism in Dubrovnik: Das Unwohlsein der Klonstädte

Ist es wirklich so irre, in einem überlaufenen Touri-Hotspot Urlaub zu machen? Unsere Autorin wagt es. Und wird unangenehm überrascht.

Die Hauptpromenade Stradun, auch genannt Placa, in der Altstadt von Dubrovnik Foto: Peter Schickert/imago

Ja, die berühmten Einbahnstraßen für Massentourismus gibt es wirklich. Wie am Flughafen lenken sie den nicht abreißenden Menschenstrom am Tor zur Altstadt von Dubrovnik mit Sperrband in zwei Richtungen. Ein paar Rollkoffer klockern trotz des Verbots durch die Gassen. Fotos mache ich im Gehen, Stehenbleiben ist hier nicht drin.

Ich bin im Hochsommer in Dubrovnik, der Kapitale des Overtourism. Der offensichtlichste Grund für meinen Aufenthalt ist, dass meine Fährverbindung über Dubrovnik geht. Aber wenn ich ehrlich bin, habe ich noch ein anderes Motiv: Ich will den Irrsinn sehen.

Ich war nie in Machu Picchu, nie am Taj Mahal und nie in Venedig. Einmal will ich krassen Overtourism erleben. Tourismus, um Tourismus zu sehen – ein Voyeurismus, der schon so manchen an den Ballermann geführt hat. Vorab rechne ich aus, wie viele Tage als prekäre Freiberuflerin bei den Mieten hier überhaupt drin sind. Schmerzgrenze: zwei.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Wir machen eine „Game of Thrones“-Tour durch die Altstadt, was nach meiner subjektiven Beobachtung der Anreisegrund von 80 Prozent aller Be­su­che­r:in­nen zu sein scheint. Du­brov­nik wollte so den touristischen Erfolg Neuseelands mit „Herr der Ringe“ reproduzieren – Mission geglückt. Unser Guide Boris, der mies bezahlter Statist bei „Game of ­Thrones“ war, erzählt, was seither alles um wie viel teurer wurde. „Ihr fragt euch wohl, wer in diesen Häusern wohnt? Die Antwort ist: Zu 95 Prozent Leute wie ihr.“ Ob all das nicht schlimm sei für die Leute in Dubrovnik, frage ich ihn in einem stillen Moment. Er lacht: „Ach was, die jammern immer. Im Sommer jammern sie, dass die Touristen da sind, und im Winter jammern sie, wann sie endlich wiederkommen.“

Ich verstehe seinen Vibe. Gemessen an den Horrormeldungen aus Deutschland finde ich Dubrovnik vage antiklimaktisch. Was soll jetzt so krass sein? Die Altstadt mit Touri-Restaurants und Krimskramsbuden, die vollgestopften Gassen und ein Zentrum, das von wohlhabenden Ver­mie­te­r:in­nen und Tou­ris­t:in­nen enteignet wurde? Altstädte am Mittelmeer sehen allerorten so aus, in Spanien, Italien, Kroa­tien, Marokko, Tunesien. Sie müssen dafür nicht mal besonders berühmt sein. Sie sind polierte kleine Klone, gentrifizierte Freiluftmuseen. Sie sind tot. Diese Landnahme wird auch dadurch normalisiert, dass Medien Hotspots wie Dubrovnik als Gruselorte markieren und den touristischen Rest als „Normalität“.

Ich hatte mir hier einen wohligen Schauer erhofft. Aber ein bisschen ist es so, wie im Kino festzustellen, dass die Zombies auf der Leinwand auch in der eigenen Nachbarschaft leben. Der Schauerspaß fällt aus. Das Unwohlsein hält an.

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Jahrgang 1991, studierte Journalismus und Geschichte in Dortmund, Bochum, Sankt Petersburg. Schreibt für die taz seit 2015 vor allem über politische und gesellschaftliche Sportthemen zum Beispiel im Fußball und übers Reisen. 2018 erschien ihr Buch "Wir sind der Verein" über fangeführte Fußballklubs in Europa. Erzählt von Reisebegegnungen auch auf www.nosunsets.de

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