Otterschutz in Bayern: Er ist einfach nicht totzukriegen
Markus Söder will den Bestand des streng geschützten Fischotters dezimieren. Doch vor Gericht hat das Tier bis jetzt noch die besseren Karten.
Aber jetzt mal schön der Reihe nach, was bedeutet, dass wir noch mal ein Jahr zurückgehen müssen: Man schrieb also das Jahr 2023, und es begab sich zu dieser Zeit, dass die Bayern aufgerufen waren, einen neuen Landtag zu wählen, und die Politikerinnen und Politiker folglich begannen, um ihre Gunst und Stimmen zu buhlen. Einer derer, die ganz besonders leidenschaftlich wahlkämpften, war Markus Söder, CSU-Chef und Ministerpräsident des Freistaats. Als schlimmsten Gegner hatte er die Grünen ausgemacht. Und den Bären. Und den Wolf. Und – genau! – den Fischotter.
Denn alle drei sind – um die Sache der Verständlichkeit halber ein klein wenig zu vereinfachen – ja letztlich auch nichts anderes als Grüne. Zumindest wenn man, wie manche es tun, unter Grün all das subsumiert, was bayerischen Landwirten den Angstschweiß auf die Stirn treibt und daher aufs Ärgste bekämpft werden muss. Und deshalb stand dann ganz schnell Söder auf dem Plan, der noch stärker als früher darauf bedacht war, die Bauernschaft zu umschmeicheln, als er merkte, dass diese eine gewisse Anfälligkeit für die Parolen eines gewissen Hubert Aiwanger, Freie-Wähler-Chef und stellvertretender Ministerpräsident, entwickeln.
Mehr Fischer als Christsoziale
Und so wurden eiligst Regelungen auf den Weg gebracht, mit der die Staatsregierung den in CSU- und Freie-Wähler-Kreisen wenig geschätzten Mitgliedern der bayerischen Fauna den Garaus machen wollte. Entnahme lautet der offizielle Terminus hierfür und bedeutet nichts anderes als: Abschuss. Auch wenn die hier möglicherweise insinuierten Kausalitäten freilich völlig spekulativ sind, blieben speziell in Sachen Otter am Ende zwei Verordnungen, die wenige Wochen vor dem Wahltag in Kraft traten.
Nicht zu unterschätzen ist dabei, dass die Beutetiere des Fischotters wie etwa der Karpfen über eine beachtliche Lobby verfügen: Mit 141.000 Mitgliedern, so rechnete jüngst der Münchner Merkur vor, sei der Landesfischereiverband größer als die CSU.
Diese Verordnungen erlaubten, dass in Niederbayern und der Oberpfalz mit Ausnahme des Landkreises Neumarkt eine gewisse Anzahl Fischotter zum Schutz der Teichwirtschaft hätten getötet werden dürfen. Wie viele genau, das sollte die Landesanstalt für Landwirtschaft festlegen. Nach nicht näher bestimmten Kriterien kam diese Behörde dann auf die Zahl 32.
Doch dann rettete der Verwaltungsgerichtshof im November mittels einer Eilentscheidung jenen 32 Tieren das Leben. Die Begründung: Zum einen hätte die Regierung auch den Bund Naturschutz anhören müssen. Zum anderen sei die Entscheidung, wie viele Tiere getötet werden könnten, zu wichtig, als dass der Verordnungsgeber sie einfach auf eine Behörde abwälzen könne. Geklagt hatten Bund Naturschutz, Deutsche Umwelthilfe und die Aktion Fischotterschutz.
Die Hoffnung ist leise
Nach der Eilentscheidung wollte sich der Verwaltungsgerichtshof nun am Montagnachmittag im Hauptsacheverfahren mit der Causa Otter befassen. Wollte sich etwa anhören, was die Vertreter des Freistaats für Argumente aufzubieten hätten, um die Eilentscheidung des Gerichts zu entkräften. So konnte man auf der Richterbank auch eine gewisse Irritation nicht verhehlen, als ebenjener Freistaat nur von einem Oberlandesanwalt vertreten wurde, der zudem noch ankündigte, sich nicht inhaltlich einzulassen.
Es sei bereits eine neue Verordnung mit verändertem Inhalt in der Mache, argumentierte der Oberlandesanwalt. Als nächster Schritt stehe die Verbändebeteiligung an. Man sei zu Gesprächen jederzeit bereit, signalisierten daraufhin die Klagevertreter. Während sich Peter Rottner, Landesgeschäftsführer des Bund Naturschutz, nur einer sehr leisen Hoffnung hingeben wollte, dass solche Gespräche im Sinne des Fischotters zielführend sein könnten, und eine erneute Klage durchaus für möglich hielt, gab sich Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, doch immerhin verhalten optimistisch: Die Chance für eine für alle Seiten befriedigende Lösung stünden jetzt deutlich besser als vor der Wahl.
Die Frage allerdings, warum dieser Prozesstag nun nötig gewesen sei, blieb der Oberlandesanwalt schuldig. Sie verstehe nicht, sagte denn auch die vorsitzende Richterin, warum man die alte Verordnung nicht vorher hätte aufheben können, wenn die Regierung ohnehin dabei sei, sie zu ersetzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku