Ostzeitschrift telegraph blickt auf 1989: Die Wiedervereinigung als Geschichte der Niederlage

Der aktuelle "telegraph" widmet sich den "Gescheiterten Revolutionen" vor 20 Jahren und Gruppen wie der Vereinigten Linken (VL) oder der Autonomen Antifa Ostberlin.

In diesen Tagen wird viel berichtet über die Opposition in der DDR. Doch über Gruppierungen wie die Vereinigte Linke (VL) oder die Autonome Antifa Ostberlin hört man wenig. Kein Wunder, sie verstanden sich nicht als Bürgerrechtler, sondern als DDR-Oppositionelle: Ihr Ziel war eine demokratische DDR und nicht die Wiedervereinigung. Die aktuelle Ausgabe der "ostdeutschen Zeitschrift" telegraph gibt einigen AktivistInnen dieser linken DDR-Opposition ein Forum.

Die Zeitschrift ist aus den Umweltblättern hervorgegangen, die ökologische Gruppen in der DDR seit 1987 herausgaben. 1989 wurde sie in telegraph umbenannt und hat trotz finanzieller Krisen bis heute überlebt. Mit ihrem gerade erschienenen Doppelheft "Gescheiterte Revolutionen" halten die HerausgeberInnen die Erinnerung an eine DDR-Opposition wach, die die Wiedervereinigung nicht zum Ziel hatte. Schon im Vorwort wird klar, warum sie auf offiziellen Feiern nicht zu hören sein wird: "Mit dem 20. Jahrestag der gescheiterten Herbstrevolution von 1989 und dem das Jubiläum begleiteten Propagandafeldzug ist die offizielle Geschichtsschreibung offensichtlich am Ziel."

Der Aktivist der DDR-Umweltbewegung Andreas Schreier spricht von einer halben Revolution in der DDR, der eine ganze Konterrevolution folgte. Mit Verweis auf den VL-Aktivisten Bernd Gehrke sieht Schreier in der überstürzten Maueröffnung einen wesentlichen Grund für diese Entwicklung. Für Gehrke war "die Maueröffnung nicht der krönende Akt einer revolutionären Demokratie", sondern eine Reaktion, die "stalinistische Herrscher im Osten vor der Volkswut rettete und den Konservativen im Westen die Mittel in die Hand gab, die Wiedervereinigung zu ihren Bedingungen zu diktieren".

Diese klare Stellung zu den Herrschaftsstrukturen in Ost und West ist in vielen der 19 Aufsätze der telegraph-Ausgabe erkennbar, ebenso wie die Suche nach Alternativen. So analysiert der Historiker Thomas Klein von der VL die Rolle von Linkssozialisten und antistalinistischen Kommunisten bei der Entstehung der Außerparlamentarischen Bewegung der 60er-Jahre.

Das telegraph-Heft macht auch deutlich, dass die linken DDR-Oppositionellen keineswegs im Schmollwinkel ihrer Niederlage nachtrauern, sondern sich in sozialen Bewegungen engagieren. So wird an die im Januar 2009 verstorbene DDR-Oppositionelle Erika Drees erinnert, die 2003 eine sechswöchige Haftstrafe antreten musste, weil sie bei Aktionen im Atomwaffenlager Büchel zivilen Ungehorsam übte.

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