Ostdeutschland und die EM 2024: Brauchen wir eine Stadionquote?

Nur ein Stadion bei dieser EM befindet sich auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Kein Grund traurig zu sein, liebe Ostdeutsche.

Fussballstadion in Leipzig

Die Red-Bull-Arena, Heimspielstätte von RB Leipzig, die während der Europameisterschaft den Namen Stadion Leipzig trägt Foto: Jan Woitas/dpa

Quizfrage: In wie vielen Stadien im Osten wurde das Sommermärchen 2006 ausgetragen? Und wie viele Spielorte dieser Europameisterschaft liegen im Osten? Richtig: ein einziger. Leipzig.

Emotionsfrage: Fühlen Sie sich, so Sie Ossi sind, deswegen übersehen, diskriminiert, herabgewürdigt? Bei der diesjährigen EM-Stadienquote von eins aus zehn wäre das absolut nachvollziehbar.

Verstandesfrage: Plädieren Sie angesichts dessen für eine Oststadienquote? Erweitern wir die Quotenfrage auf die Spieler, kommen wir nicht mehr drum herum: Von 27 Spielern im vorläufigen deutschen EM-Kader stammen 5 aus dem Osten. So geht das doch nicht!

Wieso dribbelt auf deutschem Rasen vorrangig der Westen? Nach 34 Jahren gemeinsamer (Fußball-)Geschichte? Noch dazu, wenn ab Freitag die halbe Welt, zumindest ganz Europa auf Deutschland schaut!

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Ach, das regt Sie alles gar nicht auf? Weil Fußball für Sie einfach Sport ist? Weil dabei Spannung, Spiel und Spaß im Vordergrund stehen? So geht das aber nicht, wie unpolitisch sind Sie denn! Sport ist Politik pur, ich sage nur: Rassismus und Homophobie. Gerade hat eine WDR-Umfrage gezeigt, dass sich jede und jeder fünfte Deutsche mehr weiße Fußballnationalspieler wünscht.

Sie sind einfach zu klein

Aber wissen Sie was? Bei der Quotenfrage, egal ob Spieler oder Stadien, haben Sie vollkommen recht. Zwar sind Debatten um Quoten, darunter jene für die Geschlechtergleichstellung sowie die für gleichberechtigte Teilhabe an Führungspositionen, so wichtig wie richtig.

Aber eine „Frauenquote“ allein macht bekanntlich noch keine Gendergerechtigkeit. Und mehr Mi­gran­t:in­nen in Topjobs sorgen noch lange nicht für ausreichend Diversität in Unternehmen. Quoten haben Grenzen. Die beim Fußball zum Beispiel.

Mit einer Oststadienquote würden zwar Arenen wie beispielsweise das Heinz-Krügel-Stadion in Magdeburg in Sachsen-Anhalt ins Spiel kommen. Das hat Tradition, so wie der dazu gehörende 1. FC Magdeburg. Das Stadion hat aber ein Problem: Es passen gerade mal 25.000 Fans hinein. 25.000? Für die Euro, wie die EM auch genannt wird, wurden im Losverfahren 2,7 Millionen Tickets verkauft.

Sogar ein Erstklässler erkennt sofort, dass diese Größenordnungen nicht zusammen passen. Auch dann noch nicht, nähme man eine weitere Traditionsarena dazu: das Ostseestadion in Rostock. Das hat immerhin 29.000 Plätze, von denen aber nur etwa 26.500 Plätze nutzbar sind. Oder das Stadion An der Alten Försterei von Union Berlin, das größte reine Fußballstadion in Ostberlin. Von dessen 22.000 Plätzen sind lediglich 3.600 zum Sitzen da.

2,7 Millionen Fans wollen auch irgendwo übernachten. Magdeburg hat aber nur 23 Hotels. In Rostock gibt es ein paar mehr, und die Stadt bietet großzügigerweise Campingplätze an. Aber erklären Sie mal einem Fan aus Albanien oder Schottland, dass er in einem mitgebrachten Zelt schlafen muss, weil selbst die letzte Absteige ausgebucht ist.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Wir haben 1989, wir brauchen keine Stadien

Im Osten ist einfach alles zu klein für ein Massenevent, und so kann der Osten bei der EM wirtschaftlich keinen Schnitt machen. Das ist Mist, aber es ist nun mal so: Die größten Stadien liegen im Westen. Das Olympiastadion in (West-)Berlin (71.000 Plätze), die Arena in München (66.000 Plätze), das Westfalenstadion in Dortmund (62.000 Plätze), die Arena AufSchalke (50.000 Plätze).

Nun ist Gelsenkirchen weiß Gott nicht der Nabel der Welt, mit der Bahn ist man aber zack-zack in Bochum, Essen, Dortmund – wo es sich gut schlafen lässt.

Liebe Ostdeutsche, nicht traurig sein. So mag derzeit zwar die neue Fifa-Abseitsregel als „Revolution“ gefeiert werden. Darüber können wir aber nur lachen, und was die neue Regel taugt, muss sich erst noch zeigen. Eine Revolution mit wirklich nachhaltigen Erfolgen haben nur wir Ossis hingekriegt.

Wir haben 1989, wozu brauchen wir EM-Stadien?

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Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es immer wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.

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