Ostasiens schwierige Nachbarn: Die unversöhnlichen Lieblingsfeinde
Zwischen Japan und Südkorea löst ein scheinbar harmloser „Radar-Konflikt“ eine politische Krise aus. Das zeigt, wie tief die Ressentiments sitzen.
Jetzt ist Japan nur noch ein Nachbar, dem man „kulturell nahe steht“. Ein symbolischer Rüffel, der in der Realpolitik bereits seinen Ausdruck findet.
Der bisher drastischste Vorfall ereignete sich schon am 20. Dezember im Japanischen Meer – oder Ostmeer, wie Seoul das Gewässer zwischen beiden Staaten nennt.
Damals soll ein südkoreanisches Kriegsschiff sein Zielradar auf ein japanisches Patrouillenflugzeug gerichtet haben. Ein schwerer Vorwurf, handelt es sich doch bei so einem Manöver um eine letzte Warnstufe, nach dem nur mehr ein Feuerangriff käme.
Säbelrasseln
Südkoreas Marine wies die Vorwürfe aber zurück und behauptet seinerseits, Japans Flugzeug sei bedrohlich niedrig geflogen. Darauf trafen sich beide Seiten, um den Vorfall zu klären – doch ohne Erfolg.
Nun hätte man den letztlich glimpflich ausgegangenen Konflikt als ärgerliches Missverständnis abtun können. Doch löste er eine bis heute anhaltende Eskalation aus, bei der das angespannte Verhältnis der zwei Nachbarstaaten offen zu Tage tritt.
Beide veröffentlichten „Aufklärungsvideos“ über den Vorfall, die jedoch mehr der Hetze dienten. Japan ordnete zudem im Januar drei Vorbeiflugmanöver über südkoreanischen Schiffe an, die Seouls Verteidigungsminister „nicht hinnehmbar“ nannte. Er verordnete seiner Marine „harte Maßnahmen“ gegen Japan, ohne sie zu konkretisieren.
Ressentiments trotz vieler Gemeinsamkeiten
Südkorea und Japan teilen viele Gemeinsamkeiten: Sie sind demokratische Marktwirtschaften, jahrzehntelange US-Alliierte und skeptisch gegenüber Chinas Machtansprüchen. Südkoreanische Touristen besuchen bevorzugt den östlichen Nachbarn. Und dort ist K-Pop äußerst beliebt.
Doch prägt Südkoreas Gesellschaft ein tiefer Antijapanismus. Dieser geht auf die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts zurück, als Japans Kaiserreich die koreanische Halbinsel brutal kolonialisierte. 1965 normalisierten die Staaten ihre diplomatischen Beziehungen mit einer Entschuldigung und Kompensationszahlungen Japans, welche die historische Schuld begleichen sollten.
Unverarbeitete Geschichte
Nur wurde Südkorea damals vom Militär regiert, das die Gelder zur Industrialisierung verwendete. Die eigentlichen Opfer der Kolonialherrschaft bekamen keinen Cent. Erst im Oktober 2018 verurteilte ein südkoreanisches Gericht japanische Firmen, ehemalige koreanische Zwangsarbeiter zu entschädigen.
Es gibt wenig Hoffnung, dass die historischen Wunden bald heilen, auch weil Japans Regierung regelmäßig geschichtsrevisionistische Entgleisungen von sich gibt. Zugleich scheint Südkoreas Zivilgesellschaft nicht fähig zur Vergebung.
Noch schwerer nachzuvollziehen ist ein Territorialkonflikt der zwei Staaten um eine Inselgruppe im Japanischen Meer, die zwar von Südkorea kontrolliert, aber auch von Japan beansprucht wird.
Hitziger Inselstreit
Es handelt sich bei Dokdo/Takeshima um kaum mehr als unbewohnte Felsen. Doch landet der Konflikt täglich in Südkoreas Zeitungen. Schon im Flughafen-Expresszug werden internationale Besucher in einem englischen Aufklärungsvideo daran erinnert. Und Seouls Außenministerium begrüßt seine Besucher von einem riesigen Dokdo-Gemälde.
Der britische Autor Michael Breen drückt sein Befremden über die südkoreanische Hitzigkeit des Konflikts mit Japan so aus: „Ich finde es erstaunlich, wie Japans Verbrechen von vor über 70 Jahren noch immer in Südkorea regelmäßig für Furore sorgen – während Nordkoreas Arbeitslager nur wenige Kilometer entfernt die Leute scheinbar kaltlassen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen