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Ost-Institut in WismarDie Russland-Versteher

Das Ost-Institut sollte die wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland fördern und Russlands Ruf verbessern. Die Gründungsidee erwies sich als falsch.

Deutsch-russische Zusammenarbeit: Kiellegung auf der Nordic-Werft in Wismar 2013 Foto: Jens Büttner/dpa

Hamburg taz | Die Sache war Thema in jeder Schweriner Kabinettssitzung: Sollte der Russland-Tag des Ost-Instituts Wismar 2014 angesichts des russischen Einmarschs auf der Krim stattfinden oder nicht? Der Russland-Tag war das größte Event, das das 2009 gegründete Ost-Institut bis dahin veranstaltet hatte. Am Ende kamen knapp 500 Gäste, um die deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen zu vertiefen und um dem Bundeskanzler a.D. Gerhard Schröder (SPD) zu lauschen, der bei der Gelegenheit bekannte, er sei ein „Russland-Versteher“ und stolz darauf.

Zwei Jahre lang hätten er und seine Kollegen diese Veranstaltung damals vorbereitet, erinnert sich Vorstandsmitglied Andreas Steininger. „Sowas machen Sie nicht mal eben.“ Letztlich sei es eine politische Entscheidung des damaligen Ministerpräsidenten Erwin Sellering (SPD) gewesen, die Veranstaltung durchzuziehen – als Plattform, um im Gespräch zu bleiben.

„Damals fand ich das richtig“, bekennt Steininger. „Aus heutiger Sicht war es ein Fehler.“ Allerdings war es bei der Gründung des Instituts von vornherein darum gegangen, ein allzu negatives Russlandbild im Westen zu korrigieren, Wissen über das Land zu vermitteln und auch Verständnis zu wecken.

Er habe als Rechtsanwalt und Ingenieur in Russland deutsche Firmen vertreten, erzählt Steininger. „Ich habe erlebt, wie viele Russen die 1990er und Nullerjahre als unglaubliche Demütigung empfunden haben“, sagt er. Der Warnruf des russischen Präsidenten Wladimir Putin 2007 auf der Münchner Sicherheitskonferenz, doch bitte die russischen Interessen zu respektieren, habe für ihn ein Manko offengelegt, das er mit Gründung des Instituts zumindest etwas habe ausgleichen wollen.

Ich habe erlebt, wie viele Russen die 1990er und Nullerjahre als unglaubliche Demütigung empfunden haben

Andreas Steininger, Ost-Institut

Er selbst habe über russisches Recht promoviert und den Eindruck gewonnen, dass es in Westeuropa zu wenig Wissen über die russische Rechts- und Wirtschaftsgeschichte gebe. Das Ost-Institut, das mit Unterstützung des verstorbenen ehemaligen Bundeswirtschaftsministers Wolfgang Clement (SPD) gegründet wurde, sollte „deutsche Juristen für den russischen Markt ausbilden“. Es sollte zur Rechtsentwicklung in Osteuropa publizieren und mit Veranstaltungen die Wirtschaftskontakte verbessern. Die Hochschule bot und bietet Austauschprogramme und Studienkooperationen mit russischen, ukrainischen und kasachischen Universitäten an.

Steininger, der eine Professur für Wirtschaftsrecht an der Hochschule Wismar bekleidet, legt Wert darauf, dass das Ost-Institut „keinen Cent“ staatlicher Förderung erhalten habe, weder von russischer noch von deutscher Seite. Natürlich hätten er und seine Mitstreiter versucht, Kontakt zu russischen Offiziellen zu knüpfen, sozusagen als Türöffner. Der Verdacht, Russland habe bei der Gründung des Instituts seine Finger im Spiel gehabt, sei aber Unsinn.

Der 24. Februar 2022, der Tag des russischen Einmarschs in die Ukraine, hat viel verändert. „Wir sind davon ausgegangen, die denken wie wir rational“, sagt Steiningers Professorenkollege Hans-Joachim Schramm. Den russischen Aufmarsch habe er für einen Bluff gehalten. Als Reaktion auf den Überfall hat die Hochschule den Doppelstudiengang und das Austauschprogramm mit den russischen Universitäten ausgesetzt. Der Studiengang Deutsches und Internationales Wirtschaftsrecht bleibt jedoch bestehen. Er richtet sich jetzt insbesondere an Studierende aus der Ukraine und aus den zentralasiatischen Staaten.

Der Fokus der Arbeit habe sich auf die ­Ukraine verschoben, sagt Schramm. „Da wir wirtschaftlich ausgerichtet sind, ist die Ukraine für uns das interessanteste Land.“ Derzeit seien sieben ukrainische Professoren am Institut, um sich mit dem Rechtssystem der EU vertraut zu machen.

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4 Kommentare

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  • Hinterher wollen alle nichts gewusst haben oder einer "Fehleinschätzung " unterlegen sein. Welche knallharten Eigeninteressen aber hinter diesen "Fehleinachätzungen" standen, wird geflissentlich in dieser " Selbstkritik" von Politikern und Machern übergangen. Mir kommt dabei nur das Kotzen.

  • Da Russland ja kein Rechtsstaat mehr ist sondern Putins Autokratie, kann man sich das auch schenken, wozu soll man das Recht eines Landes studieren, wenn dies vom Herrscher dort nach Gutdünken geändert bzw. ignoriert wird ?

    • @Axel Schäfer:

      Mißverständnis ? Im Artikel steht: "(...) Der Studiengang Deutsches und Internationales Wirtschaftsrecht bleibt jedoch bestehen. Er richtet sich jetzt insbesondere an Studierende aus der Ukraine und aus den zentralasiatischen Staaten.

      Der Fokus der Arbeit habe sich auf die Ukraine verschoben (...)"

      Ich verstehe das so, dass kein russisches Recht mehr gelehrt/erforscht wird, weil das im Kern aus den von Ihnen genannten Gründen obsolet ist. Also beschäftigt man sich mit Internationalem Wirtschaftsrecht und einem Fokus auf die Rechtsysteme der Ukraine und der zentralasiatischen Staaten. Das ist doch so völlig in Ordnung - solange diese Staaten halbwegs zivilisiert-demokratisch bleiben oder wenigstens auf dem Weg dahin sind.

  • "Als Reaktion auf den Überfall hat die Hochschule den Doppelstudiengang und das Austauschprogramm mit den russischen Universitäten ausgesetzt."

    Schade, wie immer mehr Verbindungen zwischen dem Westen und Russland gekappt werden.

    Auch wenn das in diesen Tagen eine unpopuläre These ist denke ich nicht, dass es zu viel Austausch zwischen Ost und West seit 1991 gegeben hat, sondern definitiv zu wenig.