Ortstermin bei Londoner Trauerfeier: Terrorgedenken an der Themse
Nach dem Terroranschlag rief Bürgermeister Sadiq Khan zum gemeinsamen Gedenken auf. Tausende kamen – doch nur für kurze Zeit.
Viele tausend Menschen sind an diesem Montagabend zum Gedenken an das Südufer der Themse geströmt, genau da, wo die Skyline gegenüber am aufregendsten ist: bunt zusammengewürfelte Hochhäuser der City wie ein explodierender Legokasten; die in sich ruhenden mittelalterlichen Gemäuer des Tower of London; die majestätische Tower Bridge mit ihren beiden Wachtürmen über dem Wasser.
Auf der Südseite das Londoner Rathaus, eine spektakuläre Glasknolle, um die Ecke die Dauerbaustelle um den Bahnhof London Bridge, wo sich die einst schmuddelige Südlondoner Innenstadt gerade neu erfindet. Der Ort der Terroranschläge vom Samstag, abgesperrt, liegt nur wenige hundert Meter entfernt.
Buntes Gedenken
Die vielen Menschen sind einem Aufruf des Londoner Bürgermeisters gefolgt: Sadiq Khan, Labour-Politiker, Muslim aus Südlondon. Es ist eine Menge so bunt wie London selbst. Viele tragen Blumen. In Anzügen kommen Büroangestellte auf dem Heimweg, unter Regenschirmen wischen Touristen ihre Smartphones. Polizisten in leuchtend gelben Westen wachen, Gewehre im Anschlag. Hier sammeln sich Sikhs mit ihren Turbanen, dort orthodoxe Juden in schwarzen Hüten.
Eine Gruppe Ahmadi-Muslime aus Indien in blauen T-Shirts mit der Aufschrift „I'm A Muslim, Ask Me Anything“ (Ich bin Muslim, du kannst mich alles fragen) wartet, dass jemand sie was fragt. Der Platz füllt sich, am Uferweg ist längst kein Durchkommen mehr. Aber niemand drängelt, niemand regt sich auf. Geduldig und höflich wogt die Menge auf und ab, im Halbkreis um den Vorhof des Rathauses.
Wer dunkelhäutig ist und einen Bart trägt, muss damit rechnen, angehalten und verhört zu werden – von den unzähligen TV-Crews aus aller Welt, die unbedingt echte Londoner Muslime vor der Kamera brauchen. Ja, er sei von hier, sagt einer ins Scheinwerferlicht. Nein, er habe den Anschlag nicht selbst miterlebt. Doch, solche Gedenkfeiern wie jetzt seien „total wichtig“, denn „sie zeigen, was London ist“: eine tolle Stadt, in der jeder eine Chance hat. Er spielt seine Rolle perfekt. Die Journalistin dreht zufrieden ab. Der Interviewte dreht sich zu seinem Freund und grinst: „Ich werde jetzt in Norwegen berühmt!“
Schneller als gedacht
Das Gedenken selbst ist kurz. Vor der hinreißenden Kulisse der Tower Bridge steht Bürgermeister Sadiq Khan auf einem Podest mit Würdenträgern und spricht wenige, aber klare Worte, immer wieder von Applaus unterbrochen. „Ihr werdet nicht siegen!“ ruft er, an die Adresse der unsichtbaren Terroristen gerichtet. „Als patriotischer britischer Muslim sage ich dies: Ihr verübt diese abscheulichen Taten nicht in meinem Namen. Ihr werdet es nie schaffen, diese Stadt zu spalten.“
Besonderer Beifall brandet auf, als er „die mutigen Londoner lobt, die ihr Leben für andere riskierten“: „Ihr seid die Besten.“ Dann schließt er mit dem Bekenntnis, den Terror zu besiegen. Und am Ende eine Schweigeminute. Das war's.
„War's das schon?“ fragt die Sicherheitsfrau, die darauf achtet, dass sich nur akkreditierte Journalisten mit blauem Bändchen am Handgelenk durch die Absperrung zwängen. „Schneller als beim letzten Mal“, flachst ihr Kollege. Der Gewöhnungseffekt kommt schnell, der Feierabend noch schneller. Am Ende kommt noch eine Reporterin angehastet, Bändchen am Handgelenk und Französisch am Smartphone, und will unbedingt durch. Sie hat gar nicht gemerkt, dass es schon vorbei ist.
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