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Organisation der Berliner AfD-DemoAber bitte nicht zu rechtsextrem

Die geplante AfD-Demo wird auch zur Plattform der Parteifunktionäre. So mancher im Bundesvorstand sieht die Kundgebung als Risiko.

Auch sie sollen am Wochenende auf der Demo reden: Alexander Gauland (l.) und Jörg Meuthen Foto: ap

Berlin taz | Eigentlich hatte Guido Reil sich das anders vorgestellt. Reil, Bergmann und Ex-Sozialdemokrat, ist der Vorzeigemalocher der nordrhein-westfälischen AfD und sitzt seit vergangenem Jahr im Bundesvorstand der Partei. In der Bundesgeschäftsstelle hat Reil für drei Wochen einen Schreibtisch bezogen, von dort organisiert er die bundesweite Demonstration, die die AfD für kommenden Sonntagmittag in Berlin plant. Zehntausend TeilnehmerInnen hat die Partei bei der Polizei angemeldet.

Reils ursprüngliche Idee: Auf der Demonstration sollten keine Parteifunktionäre sprechen, sondern vor allem Frauen, die schon andernorts im Sinne der AfD die Straße mobilisiert haben. „Bürgerbewegungen“, nennt Reil das. Damit wollte er die Demo auch für Leute attraktiv machen, die nicht zum AfD-Kernklientel gehören, so hat er es der taz jüngst erzählt.

Doch als Redner bei der Abschlusskundgebung vor dem Brandenburger Tor sind jetzt nicht nur die beiden Parteichefs Jörg Meuthen und Alexander Gauland angekündigt, sondern auch alle drei Stellvertreter. Zum Auftakt am Hauptbahnhof werden zudem Andreas Kalbitz und Beatrix von Storch sprechen, zwei weitere Mitglieder des Bundesvorstands. Das hat zwar mit Reils Idee nicht mehr viel zu tun, befriedigt aber alle Strömungen in der Partei. Und soll so als Anreiz dienen, dass auch alle wirklich mobilisieren und teilnehmen.

Denn daran gab es zwischendurch arge Zweifel. So mancher im Bundesvorstand sieht in der Demo ein Risiko und würde sich ohnehin lieber auf die Arbeit im Parlament konzentrieren, statt auf die Straße zu gehen. Ob in Berlin die Sicherheit wirklich zu gewährleisten sei, wurde diskutiert. Und auch die Sorge, dass Menschen, mit denen sich die Partei gar nicht gern öffentlich zeigt, an der Demonstration teilnehmen könnten.

Jetzt steht „Zukunft Deutschland“ auf dem Flyer

Besonders jene, die die Partei möglichst bald zur Regierungsbeteiligung führen wollen, fürchten rechtsextreme Parolen und Bilder, die AfDler mit Neonazis zeigen. Und dass ausgerechnet jetzt das Thüringer Landesschiedsgericht das Parteiausschlussverfahren gegen AfD-Rechtsaußen Björn Höcke zu den Akten legen will, hat im Bundesvorstand nicht gerade zu gemeinsamem Aktionismus geführt. Denn das Gremium muss jetzt entscheiden, ob es in die nächste Instanz ziehen will – und Diskussionen über Höcke führen in der AfD fast immer zu Streit.

Nicht mal auf ein Motto konnte sich die Parteispitze verständigen. Im Februar war die Idee entstanden, für eine Neuwahl zu demonstrieren. Doch mit Bildung der Großen Koalition war das obsolet. „Für Freiheit und Demokratie“ hieß es dann, doch das sei ein „Arbeitstitel“ und werde noch spezifiziert. Jetzt steht „Zukunft Deutschland“ auf dem Flyer. Jeder, der will, kann Forderungen dazu einschicken.

Die erwartete Teilnehmerzahl wurde inzwischen deutlich nach unten korrigiert: „2500 ist das Mindeste, 5000 wäre ein großer Erfolg“, sagte Reil am Mittwoch bei einer Pressekonferenz der Partei. Es habe viele Absagen gegeben, so könne etwa die Initiative Kandel ist überall wegen „interner Schwierigkeiten“ nicht kommen. Weiterhin erwartet werden die rechtspopulistischen Initiativen Zukunft Heimat aus Cottbus und Merkel muss weg aus Hamburg, auch Pegida-Anhänger aus Dresden wolle man nicht wegschicken, Mitglieder der Identitären Bewegung hingegen schon.

Ob es der AfD am Sonntag gelingt, Stärke zu beweisen, ist angesichts dieser Entwicklungen unklar. Es geht ihr mit der Demonstration wohl auch darum, den Teil der Basis einzufangen, der das Treiben von Parteispitze und Abgeordneten kritisch beäugt. Manchem ist das Gerede von Regierungsbeteiligung, Imageverbesserung und der Gründung einer Parteistiftung ein Dorn im Auge. Sowas ist schließlich schon fast „Altpartei“.

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5 Kommentare

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  • Nicht "zu rechtsextrem"? Ach was. Vielen "besorgten Bürgern" ist es doch völlig wurscht, daßdie AfD zumindest in großen Teilen von Rechtsextremen durchsetzt ist. Siehe nur Wahlergebnisse.

  • "Für Freiheit und Demokratie“ Da hat dann aber jeder in der AfD mitbekommen,. dass sich das Motto nicht so gut mit dem Parteiprogramm verträgt.

  • „Manchem ist das Gerede von Regierungsbeteiligung, Imageverbesserung und der Gründung einer Parteistiftung ein Dorn im Auge. So was ist schließlich schon fast „Altpartei““

     

    Genau das wird wohl zunehmend DAS Problem der AfD werden, zusätzlich zum innerparteilichen Gerangel.

    Solange sie in der APO war, konnte sie ihre Anhänger besoffen reden, was doch alles anders würde. Und Gauland versprach, die Altparteien zu „jagen“. Doch nichts dergleichen geschieht. Die AfD-Vertreter halten zwar weiterhin Wahlkampfreden in den Parlamenten, aber es gelingt ihnen eben doch nicht, die „Altparteien“ zu jagen.

     

    Gestern wurde gemeldet, in Sachsen-Anhalt seien die Zustimmungswerte für die AfD gesunken. Möglicherweise beginnt damit ihr Abwärtstrend.

  • Die Annhme der AfD-Führung, es spiele eine Rolle, ob die Partei rechtextrem rüberkommt oder nicht, ist einfach falsch. Die AfD ist das Sprachrohr für den schwarzbraunen Rand in Deutschland. Ob da Nazis, Antisemiten oder Rassisten dabei sind, interessiert die Anhänger - im besten Fall - nicht im Geringsten. Ansonsten hätten der Fall Gedeon oder die abgesonderten geistigen Ergüsse der diversen anderen Funktionäre schon Effekte gehabt.

  • "Für Freiheit und Demokratie" als Horden-Motto der AfD wäre ungefähr so, als demonstrierten Schlachter für vegetarische Ernährung.