Ordnungshaft für Mutter: Die Gesetze müssen überprüft werden
Dass eine Mutter, die nur ihr Kind bei sich lässt, in Haft muss, war vor 20 Jahren nicht möglich. Doch seither wurden Stück für Stück Rechte umgebaut.

D ass eine Mutter, die eigentlich nichts anders tut, als sich um ihr Kind zu kümmern, für 30 Tage in Haft soll, ist erschütternd. Vor 20 Jahren war das noch nicht möglich. Doch seither haben sich scheibchenweise immer mehr Gesetzte geändert, hin zu einem System, das solche Verfolgung ermöglicht.
Sicher, jede Entwicklung hat zwei Seiten. Väter reklamierten, dass sie zu wenig Rechte hätten und bekamen mehr davon. Es gilt heute als für das Kindeswohl wichtig, dass ein Kind Kontakt zu beiden Eltern hat, wenn diese getrennt leben. Es schien nur fair, als 2013 auch den unverheirateten Vätern erlaubt wurde, das Sorgerecht zu beantragen. Vorher konnte die Mutter das verweigern. Nur dürfen Väter seither auch das Sorgerecht für sich allein beantragen, sprich: die Mutter ausknocken.
Und in der Tat: Unlängst führte der Soziologe Wolfgang Hammer anhand von 1.000 Fällen aus, dass man Mütter in Deutschland ohne gravierenden Grund von ihren Kindern trennt. Und ein Blick in die Statistik seit 2002 zeigt, dass sich die Zahl der Mütter, die ihr Sorgerecht an den Vater oder an Dritte verloren haben, fast verdoppelte.
Es kommt heute dazu, dass Richter den Stab über Mütter brechen und ihnen das Sorgerecht nehmen, nur weil der Umgang zum Vater nicht klappt. Wenn ein Kind nicht zum Vater will, bekommen die Mütter die Schuld. Die gelten dann als „bindungsintolerant“ oder „manipulativ“. Obwohl sie ihre Kinder lieben und prima versorgen. Und hat eine Mutter auf dieser Schiene das Sorgerecht verloren, ist die Hürde hoch, es zurück zu bekommen.
Fortbildung für Väterrechte
Bei Verheirateten, die sich trennten, gab es im Prinzip diese Väter-Alleinsorge schon früher. Nur bekamen die Jugendämter mit der 2013er-Gesetzesänderung den Auftrag, die Väter aktiv über ihre Rechte zu beraten – und dazu passend eine oft von Väterrechtlern geprägte Fortbildung. So zog ein neuer Geist in manches Jugendamt ein. In der Folgezeit konnte es passieren, dass die frisch Fortgebildeten sich Fälle neu vornahmen und forcierten, dass Sorgerecht von der Mutter auf den Vater zu übertragen.
Es können auch Väter Kinder gut allein erziehen. Aber wenn das Kind bei Mutter sein möchte, sollte sein Wille akzeptiert werden. Staatliche Interventionen mit Polizei und Gerichtsvollzieher verbieten sich hier. Ganz schlimm ist, wenn Kinder ins Heim kommen, weil das Wohnen beim Vater nicht klappt. Hier wird sich auf dem Altar der Väterrechte an der Zukunft der jungen Menschen versündigt. Getilgt gehört auch die Ordnungshaft. Sie dient nur Bestrafungsfantasien.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Krieg in der Ukraine
Keine Angst vor Trump und Putin
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden