Orbán bei Union Berlin: Rechter Autokrat in der Loge

Victor Orbán traf sich mit einem Spieler von Union Berlin. Nun hagelt es Kritik, weil der Verein dem ungarischen Premier eine Bühne geboten hat.

Viktor Orbán bei dem Pressegespräch mit der Berliner Zeitung und Cicero

Wird von vielen nicht ohne Grund als Faschist bezeichnet: Ungarns Ministerpräsident Orbán in Berlin Foto: Britta Pedersen/dpa

BERLIN taz | Der Elefant im Raum muss warten: Christian Arbeit, Geschäftsführer Kommunikation von Union Berlin, will das Politische vom Sport trennen. Auf die Frage, wie sich denn ein Besuch des rassistischen Autokraten Viktor Orbán mit den Werten des Vereins vereinbaren lasse, sagt er bei der Pressekonferenz am Mittwoch: „Ich würde, wenn Sie nichts dagegen haben, die Frage gern kurz zurückstellen und zunächst den sportlichen Teil des Malmö-Spiels besprechen.“ Auch Trainer Urs Fischer sowie Mittelfeldspieler Rani Khedira – ebenfalls bei der Pressekonferenz – sagen dazu erst mal nichts.

Nach dem Besuch von Orbán im Stadion des 1. FC Union Berlin gibt es viel Empörung über den aktuellen Tabellenführer der Fußballbundesliga. Der Klub hat am Dienstag en passant mal eben einen rassistischen Autokraten hofiert: In gemütlich wirkender Runde saß der nationalistische Ministerpräsident Ungarns zusammen mit dem ungarischen Union-Spieler András Schäfer und dem Vereins-Sprecher Arbeit in einer Loge auf der Haupttribüne des Stadions an der Alten Försterei. Und zwar nicht in irgendeiner Loge, sondern in der mit der Nummer 78, die dem Vereinspräsidenten Dirk Zingler gehört.

Orbán ist für die Einschränkungen von Menschenrechten und für die Abschaffung von demokratischen Strukturen bekannt; und er schlachtete das Treffen erwartbar propagandistisch aus. Auf Fotos und in Videos sieht man ihn beim Plausch mit den Unionern. Natürlich ließ er es sich auch nicht nehmen, sich von Schäfer ein Trikot unterschreiben zu lassen und das zusammen mit dem Spieler lächelnd in die Kamera zu halten – einmal in der Loge, einmal mit dem Spielfeld als Kulisse.

Kritik daran kam nicht nur vielfach in den sozialen Medien, unter anderem von Union-Fans, sondern auch vom Geschäftsführer der Deutschen Jour­na­lis­tin­nen- und Journalisten-Union bei Verdi, Jörg Reichel: „Union gibt dem Pressefeind Orbán eine Bühne. Vorher war er bei der Berliner Zeitung und Cicero und hat Verschwörungstheorien über US-Medien verbreitet. Wer einem Pressefeind unwidersprochen eine Bühne gibt, ist außerhalb des demokratischen Konsens.“

Bei der Berliner Zeitung hatte Orbán im Zuge seines Deutschland-Besuchs mit dem Verleger Holger Friedrich und Cicero-Chef Alexander Marguier eher nebenbei über den Ukrainekrieg gesprochen. Orbán setzt sich wie die extrem rechte AfD putinfreundlich für ein Ende der Sanktionen gegen Russland ein. Er betonte bei dem Gespräch, dass Joe Biden schuld am anhaltenden Krieg sei und dass er darauf hoffe, dass Donald Trump den Krieg beende.

Kleinlaute Erklärung von Union

Kein Wunder also, dass es angesichts des Besuchs bei Union viel Empörung gibt, auch im Lichte der Kritik an der laxen Coronahaltung von Union Berlin, Diskriminierungsvorwürfen in der Jugendarbeit sowie Äußerungen des Vereinspräsidenten Dirk Zingler, dass man bei Union nicht gendern und es im Stadion niemals vegane Wurst geben werde. Zugleich hatte Zingler schon mal in einem Interview der Politik vorgeworfen, den Fußball zu benutzen.

Wer das weiß, hätte als Vereinspräsident vielleicht auch ein Treffen im Stadion ablehnen müssen, kann man argumentieren. Die Erklärung des Vereins nach dem Besuch klang kleinlaut: „Es war ein privater Besuch von Viktor Orbán im Rahmen seines Deutschland-Aufenthaltes. Er traf sich kurz mit dem ungarischen Nationalspieler András Schäfer in der Haupttribüne“, sagte Arbeit. Man habe auf offizielle Bitte der Botschaft die Loge zur Verfügung gestellt. „Wir haben diesem Wunsch entsprochen, auch aus Respekt vor dem Amt des Ministerpräsidenten“, so Arbeit.

Zugleich betonte der Sprecher explizit, dass weder der Präsident noch andere Gremienvertreter des Klubs dabei gewesen seien und es von ihrer Seite aus keinen Austausch mit Orbán gegeben habe. Arbeit hingegen schon: Der saß selbst mit Orbán am Tisch, wie dessen Fotos auf Facebook und Instagram zeigen. Begleitet wurde der Union-Profi auch von Michael Parensen, dem Technischen Direktor der Mannschaft. Das erklärte Sprecher Arbeit so: „Wir können ja nicht sagen, fahr vor, die Tür ist offen, folge den Pfeilen auf dem Fußboden.“ Jemand habe Orbán empfangen, den Spieler zu ihm gebracht und ihn wieder verabschiedet. Das Gespräch selber habe er nicht verstanden, weil es auf Ungarisch war.

Der Union-Blog Textilvergehen kritisiert das Treffen scharf und sieht es sogar im Konflikt mit der Satzung des Vereins: Mit dem Treffen sei die in Paragraf § 2.1 festgeschriebene politische Neutralität verletzt sowie die Verpflichtung zu humanistischen Grundwerten. Schließlich beschneide Orbán die Rechte von queeren Menschen derart, dass europäisches Recht verletzt werde. Zudem mache er flüchtlingsfeindliche Politik und äußere sich rassistisch und menschenverachtend über geflüchtete Menschen, wie der Blog unter anderem kritisiert.

Wie das der Verein sehe? „Wir bewerten das gar nicht politisch“, sagte Arbeit. Gleichwohl werde man sich noch einmal mit der Entscheidung auseinandersetzen. Ebenso würden mit der Fanszene Ausschreitungen von vergangenem Donnerstag aufgearbeitet, bei denen Union-Fans in Malmö Heimfans angegriffen und mit Pyrotechnik beschossen haben.

Während die Mannschaft die Ausschreitungen der Fans verurteilte, wollte der viel gefeierte Trainer von Union, Urs Fischer, nichts zum Orbán-Besuch sagen, ebenso wenig Mittelfeldspieler Rani Khedira.

Hinweis, 12.10, 17:21 Uhr: Der Text wurde aktualisiert.

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