Optionsregelung beim Doppelpass: Alle drei Tage eine Ausbürgerung

In diesem Jahr haben 68 Jugendliche ihre deutsche Staatsbürgerschaft verloren, weil sie nicht rechtzeitig reagierten. Es trifft vor allem eine bestimmte Gruppe.

Kann plötzlich weg sein: der deutsche Pass. Bild: ap

BERLIN taz | Seit Anfang des Jahres haben bereits 68 Jugendliche, die ursprünglich mit zwei Pässen aufgewachsen sind, ihre deutsche Staatsangehörigkeit verloren. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen hervor, die der taz vorliegt.

„Das heißt, an jedem dritten Tag wurde aus einem deutschen Jugendlichen ein Ausländer“, kritisiert Memet Kilic, der integrationspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag.

Grund dafür ist die sogenannte Optionsregelung, die seit 1999 gilt. Seit der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts erhalten Kinder ausländischer Eltern bei der Geburt automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft. Wenn sie darüber hinaus die Staatsbürgerschaft ihrer Eltern besitzen, müssen sie sich im Alter von 18 bis 23 Jahren für eine der beiden Nationalitäten entscheiden.

So will es der Kompromiss, den die damalige rot-grüne Bundesregierung mit der FDP und der Union schließen musste, die damals über eine Mehrheit im Bundesrat verfügten.

Die Optionsregel wurde rückwirkend auf alle Jugendlichen ausgedehnt, die seit 1990 geboren wurden. In diesem Jahr sind darum die ersten Jugendlichen, die von dieser Regelung betroffen sind, 23 Jahre alt geworden. Wer sich nicht rechtzeitig für eine Nationalität entscheiden konnte oder es zu spät beantragt hat, aus seiner anderen Staatsbürgerschaft entlassen zu werden, dem flattert nun zu seinem 23. Geburtstag ein Brief ins Haus. Darin wird ihm mitgeteilt, dass ihm die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt wird.

„Integrationspolitischer Unsinn“

Wer auf diese Weise das Anrecht auf einen deutschen Pass verloren hat, muss bei der Ausländerbehörde einen neuen Aufenthaltstitel beantragen. „Das ist integrationspolitischer Unsinn und verfassungsrechtlich bedenklich“, findet Memet Kilic.

Eine Ausbürgerung sei ein gravierender Akt. „Wenn von der Optionspflicht betroffene Jugendliche einen Termin verpassen oder sich zwischen ihren Staatsangehörigkeiten nicht zeitlich entscheiden können“, dann sei dies „kein angemessener Grund“, ihnen den deutschen Pass zu entziehen.

Etwa 3.300 Jugendliche fallen in diesem Jahr unter diese Regelung. Sie trifft vor allem Jugendliche, deren Eltern beide aus der Türkei stammen. Denn Kinder aus binationalen Ehen sowie Kinder von Eltern, die aus EU-Ländern stammen, dürfen ihre ausländische Staatsangehörigkeit behalten. Auch Menschen aus dem Iran oder Syrien – Länder, die ihre Angehörigen generell nicht aus ihrer Staatsangehörigkeit entlassen – dürfen zwei Pässe behalten. Dass dies anderen verwehrt wird sei diskriminierend, finden Kritiker.

Erst in der vergangenen Woche hatten die Grünen im Bundestag beantragt, die Optionspflicht abzuschaffen. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Renate Künast, kritisierte, die Bundesregierung mache Jugendliche, die hier geboren und aufgewachsen sind, „zu Ausländern im eigenen Land“.

Mehrere Bundesländer, in denen SPD und Grüne regieren, wollen die doppelte Staatsbürgerschaft im Regelfall zulassen. Am Freitag brachten sie einen entsprechenden Gesetzentwurf im Bundesrat ein.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.