Optimismus in der Klimakatastrophe: Panik bringt auch nichts

Der neue Vorsitzende des Weltklimarats hat Lust auf Kontroverse. Gut so. Wegen der Klimakatastrophe in Schockstarre zu verfallen, ist eh keine Lösung.

Eine Frau spielt mit einem Ball vor einem verbrannten Wald an einem Strand auf Rhodos

Nach den Waldbränden dieses Sommers auf Rhodos Foto: Petros Giannakouris/ap/dpa

Schon mal was von Hoesung Lee gehört? Genau. Dabei war der Südkoreaner bis Ende Juli Vorsitzender des Weltklimarats IPCC. Sein Nachfolger, Jim Skea, ist offenkundig anders gestrickt. Er wagt kontroverse Aussagen in mehr als eine Richtung. Auf den Pfad der Klimabewegung hat er gerade einen Stolperstein gelegt, der direkt zu „Das Leben des Brian“ führt.

In dem legendären Kultfilm der britischen Komikertruppe Monty Python singt Brian, der zufällig im Stall neben dem von Jesus geboren wurde, fälschlicherweise als Messias verehrt und schließlich ans Kreuz genagelt wird: „Always look on the bright side of life.“

An diesen Song wird man erinnert, wenn man das Interview mit dem neu gewählten britischen IPCC-Chef im Spiegel liest. Skea, Experte für erneuerbare Energien vom Imperial College in London, ist ein Urgestein des IPCC und einer der Autoren des berühmten 1,5-Grad-Berichts von 2018. „Die Welt wird nicht untergehen, wenn es um mehr als 1,5 Grad wärmer wird“, sagt er und dass „wir […] auch bei 1,5 Grad Erwärmung nicht aussterben“.

Das schlug ein wie eine Bombe. Vor allem, weil sie vom Mitautor des 1,5 Grad-Berichts kommt. Selbstverständlich hat Skea auch geantwortet, dass das „eine gefährlichere Welt“ mit sozialen Spannungen werde und es jetzt darum gehen müsse, „noch Schlimmeres zu verhindern“. Dennoch, er sei Optimist, obwohl er sich seit 50 Jahren mit dem Klimawandel beschäftige, und wache nicht jeden Tag im Krisenmodus auf.

Skea gibt keine Entwarnung der Klimakrise

Skea weiß genau, was er mit solch einer Formulierung auslöst, und so wurde seine Aussage interpretiert, als ob er eine Entwarnung in der Klima­krise gegeben hätte.

Hat er nicht. Mit seiner Aussage gibt Skea der Klimabewegung vielleicht sogar mehr Kraft, als dass er den Klimawandelleugnern neue Ausreden lieferte. Wer sich bisher einlullen lassen wollte, um die Klimakrise noch etwas länger auszusitzen, hat dafür immer schon ausreichend Stoff gefunden. Aber ein Dauerkrisenmodus ist erschöpfend. Das haben wir während der Coronapandemie erlebt.

Skea adressiert deshalb eine andere reale Gefahr: die Erschöpfung der Kli­ma­be­we­gung. Es dürfte deutlich gesünder sein, mit Skea zu gehen und die bright side of life – oder des Klimaschutzes – zu betonen. Das hieße frei übersetzt: I want you not to panic.

Die psychologische Forschung zeigt schon seit einigen Jahren, dass die Klimakrise erhebliche psychische Probleme verursacht. Doch während bei manchen derjenigen, die sich permanent mit der Klimakrise beschäftigen, irgendwann Panik und andere mentale Belastungsstörungen einsetzen, herrscht auf der Ebene der politischen und wirtschaftlichen Ent­schei­de­r*in­nen viel zu wenig emotionaler Handlungsantrieb. Das passt dann zu Greta Thunbergs immer noch absolut berechtigtem Ansatz „I want you to panic“.

Gegen den Panikmodus

Wenn Skea sich jetzt gegen den Panikmodus wendet, kann man sagen: Ja, der Mann gehört zu einer anderen Generation. In der sind die psychischen Probleme im Zuge der Klimakrise deutlich geringer, wie eine aktuelle Studie des Yale Program on Climate Change Communication nahelegt.

Aber das Generationenargument geht hier einmal mehr ins Leere. Auch in der Kommunikation zur Klimakrise ist die rein negative Addressierung problematisch. Im Forschungszweig der Positiven Psychologie gehen einige (wenige) For­scher:in­nen der Rolle positiver Emotionen in der Kommunikation zum Klimawandel nach. Zum Beispiel Ezra Markowitz und Azim Shariff mit ihrer Formel „Emotional carrots, not sticks“.

Auf Deutsch klingt das mit „Anreize statt Strafen“ etwas profaner. Aber es verweist auf eine alte Erkenntnis aus der Pädagogik: Kinder lernen mit Lob, nicht durch Strafen. Menschen werden (eher) mit positiver Kommunikation zum Handeln in der Klimakrise bewegt, nicht (so sehr) mit (nur) negativer. Natürlich kann zum Beispiel Hoffnung kollektives Handeln stimulieren. Naheliegenderweise fördert auch Humor die Einsatzfreude, und das Gefühl von Selbstwirksamkeit stimuliert persönlichen Einsatz.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Greta Thunberg auf den Panikmodus zu reduzieren wäre so falsch wie naiv. Nur ringt die Klimabewegung doch selbst – nicht zuletzt in den aktuellen Debatten über die Letzte Generation – mit der Antwort auf die Frage, wie viel Endzeitstimmung und wie viel negative Konfrontation die Adres­sat:in­nen der Bewegung überhaupt vertragen.

Eines ist in der Psychologie unumstritten: Panik lähmt.

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taz-Chefredakteurin, Initiatorin der taz-Klima-Offensive und des taz Klimahubs. Ehemals US-Korrespondentin des Tagesspiegel in Washington.

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