Oppositionspolitikerin in Nicaragua: Die Angst vor dem Namen Chamorro

Nicaraguas Staatschef Ortega hat die aussichtsreiche Oppositionskandidatin für die Wahl festnehmen lassen. Gegen deren Mutter unterlag er einst.

Cristiana Chamorro Barrios, halblange braune Haare und Brille, hinter Mikrofonen gibt ein Interview

Unter Hausarrest gestellt: die nicaraguanische Oppositionspolitikerin Cristiana Chamorro Barrios Foto: Agencia EFE/imago

WIEN taz | In Nicaragua wiederholt sich die Geschichte als Tragikomödie. Darsteller sind Präsident Daniel Ortega und Cristiana Chamorro Barrios. Die Journalistin wurde am Mittwoch in ihrem Haus von martialisch auftretenden Anti-Aufruhrpolizisten festgenommen. Der Vorwurf: Geldwäsche. Der Hintergrund: Chamorro wird seit einiger Zeit als aussichtsreichste Gegenkandidatin einer geeinten Opposition bei den Präsidentschaftswahlen vom kommenden 7. November gehandelt.

Chamorro soll über die nach ihrer Mutter benannte Violeta-Barrios-de-Chamorro-Stiftung für Pressefreiheit illegale Gelder ins Land geschleust haben. Die Beschuldigte bestreitet das und verweist darauf, dass die fraglichen Transaktionen sogar vom Innenministerium abgesegnet worden seien. Das war allerdings, bevor die Tochter einer der prominentesten Familien Nicaraguas ihre mögliche Kandidatur bekannt gegeben hatte.

Vor über 30 Jahren, im Februar 1990, hatte ihre Mutter Violeta Barrios de Chamorro Daniel Ortega als Kandidatin der breiten Oppositionsallianz UNO geschlagen. Die bereits wirtschaftlich gescheiterte und ideologisch zerrüttete Revolution in dem mittelamerikanischen Staat ging damit nach kaum elf Jahren zu Ende. Weder Ortega noch seine Sandinistische Befreiungsfront (FSLN) waren auf diese Schlappe vorbereitet.

Nach drei Perioden liberal-konservativer Regierungen gelang dem ehemaligen Revolutionskommandanten Ortega 2007 ein politisches Comeback. Mit großzügigen Krediten und Geldgeschenken des damaligen venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez konnte Ortega eine Energiekrise beenden und die Armutsrate reduzieren. Eine unternehmerfreundliche Wirtschaftspolitik verbrämte er mit anti-imperialistischer Rhetorik.

Vater wurde von Somoza ermordet

Gleichzeitig begann er, systematisch die Opposition auszuschalten, Justiz und Presse unter seine Kontrolle zu bringen und Gesetze, die die Wiederwahl untersagten, zu beseitigen. Einen Volksaufstand vor zwei Jahren ließ er blutig niederschlagen. Seither hat der 75jährige Ortega mit einer Anzahl repressiver Gesetze dafür gesorgt, dass potentielle Gegner kriminalisiert werden können. Darunter ein Gesetz über „ausländische Agenten“, das auf alle zutrifft, die selbst oder über ihren Arbeitgeber von Zahlungen aus dem Ausland profitieren.

Nach mehr als fünfstündiger Hausdurchsuchung zogen die Polizisten wieder ab. Chamorro steht unter Hausarrest und verliert nach der jüngsten Gesetzgebung das passive Wahlrecht, da gegen sie strafrechtlich ermittelt wird.

Cristiana Chamorro hatte über Jahrzehnte als Herausgeberin der von ihrem Vater gegründeten Tageszeitung La Prensa eine eher unauffällige Rolle gespielt. In der ideologisch gespaltenen Familie stand sie auf der Seite der Konservativen. Bruder Pedro Joaquín war bei den Contras, Bruder Carlos Fernando leitete lange Jahre die sandinistische Tageszeitung Barricada und ist heute als Betreiber unabhängiger Medien eines der Hassobjekte des Ortega-Regimes.

Ihr Ehemann, der Unternehmer Antonio Lacayo, war während der Regierung ihrer Mutter als Präsidialminister der starke Mann und treibende Kraft in einem Privatisierungsprozess, bei dem sich politische wie private Freunde bereichern konnten. Lacayo starb 2015 bei einem Hubschrauberunfall.

Im Rampenlicht steht Cristiana Chamorro erst, seit sie vor einigen Monaten ankündigte, sie stünde als Kandidatin zur Verfügung, allerdings nur, wenn sie von allen nach dem Aufstand 2018 entstandenen Oppositionsallianzen unterstützt würde.

Vater Pedro Joaquín Chamorro, einst Anführer der bürgerlichen Opposition gegen den Diktator Anastasio Somoza, wurde 1978 auf offener Straße ermordet. Daniel Ortega hat zwar durch ein parteiisches Wahlgesetz und einen gegängelten Wahlrat für alle Eventualitäten vorgesorgt. Doch mit einer Chamorro will er sich offensichtlich nicht einmal unter diesen Umständen an den Urnen messen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.