Opposition in Polen: PiS-Politiker festgenommen
Ex-Innenminister Mariusz Kamiński und sein Vize Maciej Wąsik wurden wegen Amtsmissbrauchs verurteilt. Jetzt drohen ihnen zwei Jahre Haft.
Kamiński und Wąsik hatte Duda 2015 begnadigt, obwohl da das Verfahren gegen die beiden wegen Amtsmissbrauchs in Polens Antikorruptionsbehörde noch lief. Das endgültige und inzwischen rechtskräftige Urteil fiel daher erst Ende 2023 vor einem Warschauer Berufungsgericht. Im Falle von Mariusz Kamiński wurde das Urteil am Mittwoch von der nächst höheren Instanz bestätigt. Kamiński wollte noch am Mittwoch in einen Hungerstreik treten.
Doch das Quasi-Asyl im Präsidentenpalast währte nur wenige Stunden. Als Duda zu einem weiteren Termin aufbrach, ließ die Palastwache die Polizisten ins Haus, so dass diese die beiden Straftäter festnehmen und ins Untersuchungs- und Strafgefängnis Warszawa-Grochów bringen konnten.
Spektakuläre Bilder der beiden Ex-Minister in Handschellen entstanden dabei nicht. Die zwei wichtigsten Polizeiwagen standen in einer dunklen und von Kameras abgeschirmten Ecke. Da hatte es für Kamiński und Wąsik auch keinen Sinn, sich der Festnahme zu widersetzen und sich laut schreiend aus dem Palast tragen zu lassen.
Mandat erloschen
Auf genau diese Bilder hatte es die nationalpopulistische Recht und Gerechtigkeit (PiS) eigentlich abgesehen. Denn Fotos von der Festnahme der beiden Ex-Minister, die angeblich „gegen Korruption im Lande gekämpft hatten“, hätten sich in der Parteipropaganda gegen die neue Regierung aus liberalkonservativer Bürgerkoalition (KO), christlich-agrarischem Dritten Weg und Neuer Linker sehr gut einsetzen lassen.
Aus diesem Grund auch waren die Ex-Parlamentarier noch tagelang in den Sejm, das polnische Abgeordnetenhaus, gegangen, obwohl ihr Mandat mit dem Schuldspruch vor Gericht erloschen war. Das sehen sowohl die polnische Verfassung als auch das polnische Wahlrecht vor. Dessen ungeachtete behaupteten Kamiński und Wąsik immer wieder vor laufenden Kameras, dass sie unschuldig seien, es auch kein Urteil gegen sie gäbe und sie einfach nur als gewählte Volksvertreter im Sejm säßen und dort an neuen Gesetzen mitarbeiten wollten.
Noch am Dienstagabend versuchte sich der PiS-Vorsitzende Jarosław Kaczyński mit einigen Parteigetreuen Zutritt zum Gefängnis zu verschaffen, doch sein Pochen auf das „Interventions-Recht“ eines Abgeordneten führte zu keinem Ergebnis. Die Gefängnistore blieben zu.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich Kaczyński demnächst die Zellen der beiden Delinquenten anschauen und er auch die Qualität des Gefängnisesses überprüfen kann. Andererseits sind Bilder von „Kaczyński im Gefängnis“ propagandistisch nicht gerade von Vorteil für die PiS.
Weiterer Prozess
Natürlich könnte Präsident Duda seine früheren Parteikollegen von der PiS jederzeit ein zweites Mal begnadigen, dieses Mal verfassungsgemäß nach dem rechtskräftig ergangenen Urteil. Politische Beobachter in Polen gehen allerdings davon aus, dass gegen Kamiński und Wąsik schon bald ein weiterer Prozess wegen Amtsmissbrauchs eröffnet werden könnte.
Polens Geheimdienst hatte unter Kamiński widerrechtlich die Spionagesoftware Pegasus eingekauft und gegen die demokratische Opposition eingesetzt. Das Kalkül Dudas könnte sein, die beiden erst nach diesem Urteil zu begnadigen und ihnen damit eine längere Haftstrafe zu ersparen. Allerdings müsste das Urteil dann sehr schnell fallen, denn Dudas Amtszeit endet unwiderruflich in anderthalb Jahren. Ob ein anderer Präsident die beiden auch begnadigen würde, ist fraglich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“