Opferberater kritisieren Dresdner Polizei: Aus dem NSU-Debakel nichts gelernt
Opferberatungen haben erneut das Vorgehen der Ermittler beim Tod Khaled Bahrays kritisiert. Sie fordern grundlegende Änderungen.
BERLIN taz | Opferberatungsstellen haben ihre Kritik am Vorgehen der Polizei im Fall des toten Eritreers Khaled Idris Bahray erneuert. „Die Ereignisse der letzten Wochen zeigen, wie weit Behörden und einzelne Beamte von Lehren aus dem NSU-Debakel entfernt sind“, heißt es in einer Stellungnahme des Verbands der Beratungsstellen für Betroffene von rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt.
Der 20-jährige Asylbewerber war am 21. Januar, dem Abend einer Pegida-Demo in Dresden-Prohlis erstochen worden. Nach seinem Tod hatten bundesweit Menschen aus Sorge demonstriert, es könnte ein rassistischer Mord vertuscht werden. Ein ebenfalls eritreischer Mitbewohner Bahrays gestand später die Tat, nachdem seine DNA an der Tatwaffe festgestellt wurde. „Dass sich die Befürchtungen in diesem Fall nach bisherigen Informationen nicht bestätigt haben, heißt nicht, dass sie unberechtigt waren. Im Gegenteil“, heißt es weiter in der Stellungnahme der Opferberatungen.
Die Polizei hatte vor Ende der Obduktion Fremdverschulden ausgeschlossen und erst 30 Stunden nach dem Fund der Leiche mit der Spurensicherung begonnen. Berechtigte Zweifel an der Aussage der Polizei seien unter anderem durch die Zunahme fremdenfeindlicher Gewalt, die vorschnelle Aussage zur Todesursache sowie die viel zu späte Spurensicherung genährt worden, so die Beratungsstellen.
Die zum Tatort gerufenen Ärzte hatten drei Messerstiche im Leichnam übersehen. Daraufhin hatte der Grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck die Polizei wegen Strafvereitelung angezeigt. Beck war vom Bund Deutscher Kriminalisten (BDK) dafür heftig angegriffen worden.
„Die Reaktion des BDK zeigt ein obrigkeitsstaatliches Denken, das Welten von einer vertrauensbildenden Fehlerkultur entfernt ist“, schreiben die Opferberatungsstellen. „Jedes Behördenhandeln, dass Misstrauen in die Ermittlungen nährt, verstärkt die Wirkung rassistischer Gewalt auf die potenziell Betroffenen.“
Der Verband fordert deshalb, die Empfehlung des NSU-Untersuchungsausschusses umzusetzen. Dieser habe angeregt, dass die Polizei bei jedem Angriff auf „Angehörige der typischen Opfergruppen rassistischer Gewalt“ zwingend ein politisches Tatmotiv in Erwägung ziehen und durch Ermittlungen in diese Richtung aktiv ausschließen müsse.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen