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Oper in HannoverFür die Freunde Putins

An der Staatsoper befragt Barbora Horáková Tschaikowskys „Eugen Onegin“ nicht auf seinen politischen Gehalt. Der Abend gerät zum politischen Zeichen.

Tatiana (Barno Ismatullaeva), das personifizierte Russland, am Fenster, dahinter der Chor Foto: Sandra Then/Staatsoper Hannover

Hannover taz | So eine unbedarfte Inszenierung war nicht zu erwarten gewesen: Barbora Horáková hat an der Staatsoper Hannover Piotr Illyitsch Tschaikowskys „Eugen Onegin“ produziert, also die „drei lyrische Szenen“, die der Komponist 1877 aus Alexander Puschkins gleichnamigen Vers-Roman – dem modernen Nationalepos Russlands – destilliert und in Musiktheater verwandelt hatte. Aber gerade weil sie rigoros davon absieht, den Bilderbogen auf seinen politischen Gehalt zu befragen, gerät Horáková der Abend zum politischen Zeichen: Die zahlreiche russische Community Hannovers lässt sich die Gelegenheit nicht entgehen. Sie klatscht sich nach der Premiere in nationale Ekstase.

Liegt nahe: Tatjana lässt sich schließlich schon in Puschkins Dichtung als personifiziertes Russland lesen. Und in ihrem Part, den Sopran Barno Ismatullaeva mit Wärme und Eleganz bewältigt, gelingt Tschaikowsky jene die ganze Oper prägende musikalische Synthese von westlichen Kompositionstechniken und Volkston, von europa-orientierter Urbanität mit ihren oberflächlichen Gesellschaftstänzen und ach! so tiefer ruraler Seele aufs Schönste.

Sie wird ihm, so kann man sagen, zur Apotheose der Nation. Die verschmäht am Ende, ordnungsgemäß reich und adelig verheiratet und pflichtgemäß treu, den europäisierten, dandyhaften Titelhelden, der im ersten Akt, zwei Jahre zuvor, ihre heißblütigen Avancen zurückgewiesen hatte. Und das war auch schon die Handlung, naja zwischendurch knallt James Newby als Onegin noch seinen brüderlichen Freund Lenski (Pavel Valuzhin) ab.

Im Dienst des Reaktionären

Ein dem französischen Komponisten Fromental Halévy, dem Vater der Grand’ Opéra zugeschriebenes Zitat, laut dem es die Pflicht der Kunst ist, sich zur Politik zu äußern, prangt, als Motto, auf den Eingangstüren der Staatsoper. In diesem Sinne wäre es auch ohne Ukraine-Krieg fahrlässig gewesen, diesen Subtext bei einer Eugen Onegin-Inszenierung zu verdrängen. Weil nun Horáková außer unterkomplexen Erinnerungen an ihr eigenes Aufwachsen in einem Mehrgenerationhaushalt wenig an Ideen beisteuert, die sie zu einer zeitgemäßen Performance hätte ausbauen können, überlässt sie dem reaktionären Narrativ die Bühne.

Und das nimmt noch die unschuldigste musikalische Schönheit in seinen Dienst: In einen Einheitsraum mit megagroßer Fensterwand ins Lointain – sie blicken mal auf Wald, mal auf Hochhausschluchten – hat Susanne Gschwender einen fast kremllangen Tisch gestellt. An dem dürfen sich noch die leibeigensten Cho­ris­t*in­nen tummeln, die von Lorenzo da Rio angeleitet ihre Ernte- (oder-Getreideraub?) -dankgesänge trotz wenig schlüssiger Personenführung mit Schmackes und Freude anstimmen. Mit ihren leeren Stühlen lässt sich dann Zorn, Trauer oder Verzweiflung ausdrücken, jeweils durch Umwerfen. Das gestische Repertoire bleibt aber auch jenseits davon recht konventionell.

Die nächsten Vorstellungen

„Eugen Onegin“: wieder am Do, 26.5., 16 Uhr, So, 28.5., 19.30 Uhr, Staatsoper Hannover

Schwungvoll hingegen dirigiert der Erste Kapellmeister James Hendry sein Niedersächsisches Staatsorchester, aber nicht zu schwungvoll, um die bezaubernde Farbigkeit der Partitur herauszuarbeiten. Es stimmt, die Dynamik hätte etwas differenzierter sein dürfen. Im dritten Akt hat James Newby deutlich Schwierigkeiten, gegen das Dauer-Forte zu bestehen. Aber ja, die Akustik der Staatsoper hat seit jeher ihre Tücken. Und wenn das das Hauptproblem der Produktion gewesen wäre, dann hätte es doch noch ein gelungener Abend sein können.

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