Opel verlässt Bochum: Nicht mal das Lager bleibt
Entgegen früheren Versprechen will Opel komplett aus dem Ruhrgebiet verschwinden. Viele Arbeiter fordern eine Neuabstimmung über den Sanierungsplan.
BOCHUM taz | Nach mehr als 50 Jahren Produktion hat Opel jetzt verkündet, schon Ende 2014 komplett aus dem Ruhrgebiet verschwinden zu wollen. Auch das Zentrallager, das Händler in ganz Europa mit Ersatzteilen versorgt, werde dann geschlossen, bestätigte ein Opel-Sprecher. Nach dem Aus für die Autoproduktion in Bochum mit über 3.500 Jobs droht damit die Vernichtung 420 weiterer Arbeitsplätze.
Der Nervenkrieg der Firmenleitung zeigt Wirkung auf die Arbeitnehmer. Immer mehr Opel-Arbeiter fordern eine neue Abstimmung über den Sanierungsplan, mit dem der Autobauer wieder schwarze Zahlen schreiben will – wie alle Massenhersteller leidet Opel vor allem unter der Absatzkrise in Südeuropa.
Ende März hatten noch über 76 Prozent der Beschäftigten gegen die von der IG Metall in Form eines Tarifvertrags gegossene Vereinbarung gestimmt. Schließlich sah auch die ein Ende des Autobaus vor – allerdings nicht schon Ende 2014, sondern zwei Jahre später. Die Gewerkschaft werde „von zahlreichen Mitgliedern bei Opel angesprochen, die zwischenzeitig das Verhandlungsergebnis neu bewerten", so der Bezirksleiter der IG Metall in NRW, Knut Giesler.
Der Bochumer Betriebsrat mit seinem Vorsitzenden Rainer Einenkel an der Spitze hatte vor der Abstimmung argumentiert, eine Produktionsverlagerung des aktuell nur in Bochum gebauten Familienvans Zafira in ein anderes Werk sei schlicht zu teuer – Opel werde die Herstellung bis zum anstehenden Modellwechsel 2016 in jedem Fall in Bochum fortführen. Außerdem wäre der bis Ende 2014 geltende Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen aufhoben, so die Arbeitnehmervertreter – die Firmenleitung warte nur darauf, sofort Verhandlungen über ein Ende der Nachtschicht beginnen zu können.
Das Management will keine Neuabstimmung
Nach dem Nein der Opel-Arbeiter aber lehnt das Management jede Neuabstimmung rigoros ab. Vom im ursprünglichen Sanierungsplan versprochenen Erhalt von 1.200 Arbeitsplätzen in zu einem Logistikzentrum ausgebauten Zentrallager und einer wie auch immer gearteten Komponentenfertigung soll keine Rede mehr sein. Jede neue Diskussion koste nur „wertvolle Zeit", schrieb der Bochumer Werksleiter Manfred Gellrich seinen Mitarbeitern. Auch aus der Opel-Zentrale im hessischen Rüsselsheim heißt es, eine erneute Abstimmung sei unsinnig.
Völlig unklar ist damit, wie es in Bochum auf den riesigen Opel-Firmengeländen weitergeht und wie Ersatzarbeitsplätze entstehen sollen. Zwar werkeln die NRW-Landesregierung von SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, Bochums Stadtverwaltung und Opel seit Monaten an einer Entwicklungsgesellschaft namens „Perspektive 2022“.
Opel habe dafür einen „zweistelligen Millionenbetrag“ zugesagt, sagte SPD-Wirtschaftsminister Garrelt Duin am Donnerstag im Düsseldorfer Landtag. Zuvor hatte es Vorwürfe der CDU gegeben, die Untätigkeit der Regierung Kraft trotz des Jobverlusts im ohnehin strukturschwachen Ruhrgebiet zeige das Scheitern der sozialdemokratischen Wirtschaftspolitik.
Unklar ist bis heute aber, ob die Millionen auch nur für die Sanierung der Werksgelände ausreichen: Vor der Opel-Ansiedlung im beginnenden Strukturwandel der Sechziger förderte dort die Zeche Dannenbaum Kohle – der Boden unter den Opel-Fabriken dürfte mit giftigen Altlasten verseucht sein.
Leser*innenkommentare
tim fischerkamp
Gast
GM hat mit SAAB einer der besten Marken Europas den Untergang bescherrt. Kein Auto hatte bessere Chancen auf dieser Erde als der SAAB 900i, stattdessen bauten die Opelianer einen Opel als SAAB, der aussah wie ein Opel und nicht wie der 900er oder sein Cabrio, die zu den besten Autos der Welt gehören, besonders für ihr Design.
Nokia ist aus Bochum verschwunden, weil es richtig und gerecht war die Rumänen nicht im Regen stehen zu lassen, daß hatten diese ja schon mit den Italienern erlebt, nie aber mit Deutschen oder Finnen. Blieb Opel, die Gewerkschaftseigene Firma, die mit den Fabriken im Süden Koreas konkurrieren will, was die Produktion angeht und das ist unmöglich! Also ist schließen richtig, verkaufen von Opel wäre auch fair gewesen, hätten die Deutschen sehen können wie sie klarkommen, doch es ist wahr, ohne Deutsche ist es immer noch sehr schwer auf der Welt, auch für GM. Legt GM also die Deutschen nieder, verschwindet GM selbst, das ist der Nachteil an der Strategie der Amerikaner. Der amerikanische Staat wird versuchen viel Geld auszugeben, doch wofür? Nur Opel taugt wirklich, der amerikanische Designgeschmack, der schon die hervorragende Marke KODAK beendet hat, eine Mischung aus Arroganz und Größenwahn, läßt sich einfach nicht abstellen. Es gibt keine amerikanische Bescheidenheit, die es auch mit ärmeren Menschen gut meint, was die Qualität angeht. Nirgendwo wurde von einem Staat eine Stadt und seine Einwohner so grausam zurückgelassen, wie Detroit und seine Stadtbevölkerung. Diese amerikanische Rücksichtslosigkeit hat sich zum Phänomen entwickelt, daß immer mehr Armut zurückläßt, womit der amerikanische Way of Life trotz Obama obsolet geworden ist und damit die us-amerikanische Produktwelt aus bunten Börsenseifenblasen. Genau das liebt hier aber niemand, wir lieben Amerika genauso wie die US-Amerikaner und wünschen uns das Gegenteil auch für die USA, leider ist es wie damals in New York, die "Zivilisierungsmaßnahmen" werden als nötig erachtet. Deutsche sehen das nicht so. Wer mit Südkorea und Japan konkurrieren will, muß an diesen Ländern maßnehmen. Deutschland tut dies immer wieder. Opel und Nokia hinterlassen ein Bochum, in dem endlich viel Beton abgerissen wird - in der Folge. Vielleicht wird die Stadt irgendwann verschwinden und andere Städte nebenan werden das auffangen, kein Problem in NRW. Die Fehler der Siebziger sind zu korrigieren. Es gibt keinen Grund für Traurigkeit. Neue Automarken, werden die Marktlücken auffangen, bornierte Arroganz, Unternehmern und Unternehmen Phantasiewelten zu hohen Kosten aufzudrücken in gewerkschaftlich erpresserischer Form sind damit vorbei, oder noch mehr Firmen werden hier weggehen, die Wirklichkeit stellt sich immer in jedem Fall ein. Deutschland schrumpft, in den USA wächst wenigstens die Bevölkerung und der Optimismus bleibt. Die Deutschen hängen an ihren linken Phantasiewelten, die Koreaner genießen die Marktwirtschaft und den wachsenden Wohlstand. In Deutschland wird das Prekariat gepredigt, in Korea erwartet man Aufstieg und ein sich ausweiten der Mittelschicht auf 70 Prozent, in D-land hingegen, wird Unterschicht als notwendig und normal verkauft, von rechts. Hingegen sind alle Parteien wirtschaftspolitisch links in Deutschland. Die Menschen im Ruhrgebiet sind sehr sympathisch und angenehm offen und freundlich, doch auch dort zeigt die Ideologie des Multikulturalismus, von der Wolfsburg bislang genauso verschont blieb wie Ulsan, verheerende Wirkung. Es gibt keine Alternative zu echter Internationalität gegenüber kulturellem Kochmischmasch, der keinen Interessieren darf, weil er den Common Sense zerstört, den Wolfsburg und Ulsan haben. Es ist unzumutbar für die golbalen Bürger eine Stadt wie Detroit untergehen zu sehen, wie einst Stalingrad, und das ohne Krieg. Ich wünsche den Bürgern in Detroit, daß ihre Stadt von Kanada annektiert wird, dort geht es menschlicher zu. Den Bochumern wünsche ich einen Abschied von ihrer Stadt, auch Immobilienpreise in Deutschland dürfen sich regional nach unten entwickeln. Beton siegt nie, wenn es der Höhepunkt einer Zivilgesellschaft sein soll und nicht wie in Korea der Weg dorthin. Es geht auch ohne Opel auf dieser Welt, obwohl Opel wohl in dem Moment wieder aufsteigen wird, wenn es seine Vorteilsnehmer los ist.
Spezialwähler
Gast
Mir bleibt es rätselhaft, dass soviele Bundesbürger aus der Kirche austreten, wo sie doch sonst so gläubig sind! Sie glauben im Ernst an die Kanzlerin, sie glauben an die soziale Marktwirtschaft, sie glauben daran, dass der Unternehmer für seine Arbeitnehmer sorgt.
Wer so gläubig ist, dem machen auch die Ungereimtheiten im christlichen Glauben nichts aus, oder?
Jedes Unternehmen macht die Bude zu, sobald woanders ein Cent mehr zu verdienen ist, oder das Management den Markt nicht versteht und daher in den Bankrott steuert. Dazu gehört auch den BILDlesenden Arbeitern solange etwas vorzugaukeln, bis die Verwertbarkeit ihrer Arbeitskraft nur noch einen unwirtschaftlichen Restmüll darstellt. Schon den Herrn Maucher von Nestle vergessen, der einen Teil der Gesellschaft als "Wohlstandsmüll" diskriminierte? Ach ja, der Deutsche will vor allen Dingen erst einmal seine Ruhe haben. Dann in der Kneipe rumjammern und anschließend auf der Straße dem nächsten Führer zujubeln, damit der als Erlöser für den kleinen Untertan die Kastanien aus dem Feuer holt. Die Erlöserrolle nehmen nun die "Parteien" wahr, welche im Wahlkampf reihenweise Trostpflaster verteilen - und die Leute glauben's.
Rheinhausen, Hoesch, Hüls, Berzelius, RAG, Alunorf etc. die Liste lässt sich beliebig verlängern. Was ist von ihnen in NRW übrig geblieben? Das kommt davon, wenn man nicht selbst Hand anlegt und den "Parteipolitikern" das Handeln überlässt. Im Osten ist das Prinzip der "legalen" Insolvenzverschleppung erprobt worden. Man betrügt die Arbeitnehmer, indem man dem Krankenversicherer zunächst die SV-Beträge vorenthält. Die Krankenkassen warten sehr lange, bis eine Reaktion von ihnen erfolgt: "Man will ja keine Arbeitsplätze durch harte Maßnahmen vernichten." In der Schlussphase dann, wenn schon heimlich Betriebsausrüstungen nachts verschoben werden, schwadroniert man vor der Belegschaft von kommenden Großaufträgen, die zu 99,99% sicher sind. Gleichzeitig wird das Gehalt gekürzt. Wenig später gibt es gar kein Gehalt mehr und die Gutgläubigen arbeiten für umsonst, weil ja jeden Moment der dicke Auftrag reinkommt und es dann wieder alles gut wird.
Wer so dämlich ist, darauf hereinzufallen, hat eigentlich selber schuld. Das schreibt sich nur so einfach, denn wenn man selbst in dieser Situation ist, dann stirbt in der Tat die Hoffnung zuletzt. Doch diese Strategie wird nun überall angewendet und da hilft nur noch radikale Gegenwehr. Verhandlungen sind Zeitverschwendung, ebenso wie die Schuldzuweisungen an Parteien und Gewerkschaften.
Tortes
Gast
@Frank G
Der Betriebsrat war weder inkompetent noch ideologisch verblendet, sondern bodenständig und realistisch.
Was war das Angebot des Opel-Managements laut dem angebotenen Sanierungsplan ?
Über 2000 Arbeitsplätze fallen in der Automontage weg, und 400 Arbeitsplätze (max. evtl. 1200) im Versandlager und Ersatzteilelogistik bleiben vielleicht erhalten.
Unkonkreter und nebliger geht's nicht.
Der Betriebsrat hat in dieser Situation verantwortlich gehandelt und die Ablehnung empfohlen.
Hätte er die Zustimmung empfohlen und der Laden wäre analog zu jetzt trotzdem komplett dicht gemacht worden, was höchstwahrscheinlich eh passiert wäre, hätte er jetzt ein Glaubwürdigkeitsproblem gegenüber den Arbeitern.
Im Klartext, der Laden wäre so oder so platt gemacht worden, nur dass es das Management eben nicht geschafft hat, Betriebsrat und Belegschaft die eigene Beerdigung mit unterschreiben zu lassen.
That's it.
Hans
Gast
Lasst Opel und den Rest von General Motors endlich sterben. Kein Geld mehr von europäischen Steuerzahlern an GM!
Opilaner
Gast
Eine ganz normale Managemententscheidung von GM. Hätten die Opel-Beschäftigten dem Sanierungsplan zugestimmt, lägen die Entscheidungen zu Produktion usw. trotzdem weiter in den Händen der gleichen Personen. Unter Kostendruck und Absatzproblemen lssen sich alle möglichen Varianten durchsetzen. Erstmal den "teuren" Standort loswerden und kostengünstig zB. in Russland weiter produzieren. Erinnert sei hier an Nokia.
Tortes
Gast
Ich kann jeden bisherigen Opel-Fahrer bestens verstehen, der jetzt keinen Opel mehr kauft.
So niederträchtig wie GM/Opel mit den Bochumer Opelanern umgegangen ist, zu diesem Konzern darf man eigentlich kein Geld mehr hintragen !
Die Bochumer haben sich mit ihrem Werk solidarisiert, wahren engagierte und fleissige Arbeiter, oft über mehere Familiengenerationen hinweg.
Dieses Engagement fällt ihnen nun auf die Füsse; in einem Kapitalismus, der letztendlich nur auf weltweite Renditevergleiche für eingesetztes Kapital zählt, ist die Verbundenheit zur Firma im Ernstfall schlicht keinen Pfifferling wert.
Das könnte sich auf einen tiefgreifenden Bewusstseinswandel aller Arbeitnehmer grundsätzlich auswirken; ich gehe in meine Firma, mache meine Arbeit, kassiere einmal monatlich meine Kohle, aber ansonsten geht mir meine Firma "den Arsch runter".
Genau dahingehend wird sich die Politik der "verbrannten Erde" a la Opel, Nokia usw. langfristig auswirken, mit allen Konsequenzen zum Engagement, zum Sozialverhalten usw. der Beschäftigten in ihren jeweiligen Betrieben.
Es wird sich auch für die Inhaber und Kapitalgeber der Betriebe dann zeigen, dass kurzfristige Renditeerfolge mit "asozialen" Sanierungsplänen und Werkschliesungen langfristig als Bummerang der Demotivation ganzer Belegschaften und Kaufunlust ganzer bisheriger Kundenstämme wieder zurückschlagen.
Wer hat bisher überlegt, einen Opel zu kaufen und nimmt davon nun Abstand ?
Dass die Solidarität unter den Arbeitnehmern auch nur Worthülsen sein können, zeigt sich an den verschiedenen Opel-Standorten.
Welcher Arbeitnehmer in Rüsselsheim, Kaiserslautern, Eisenach denkt sich denn nicht: "Bochum ist bedauerlich, aber mein Arsch, äh Arbeitsplatz, ist dafür jetzt sicherer" ?
Im Klartext, solange der Kapitalismus sein rein profitorientiertes und damit menschenverachtendes Spiel spielen kann, solange es ihm gelingt, die Menschen gegeneinander auszuspielen, solange wird das Spiel auch weitergehen.
Es liegt an uns, der breiten Masse der Bevölkerung, hier einen grundsätzlichen Bewusstseinswandel herbeizuführen, der solche Spiele eben grundsätzlich nicht mehr zulässt.
Da muss dann aber auch jeder bei sich selbst anfangen; wer mit "Geiz ist geil" im Kopf einkaufen geht, der muss sich nicht wundern, wenn der Chef irgendwann mal mit "Geiz ist geil" auf die Lohntüte haut oder Laden gleich ganz dicht macht.
Weniger Egoismus, mehr echtes gelebtes Miteinander in unserer Gesellschaft, dann sind solche Katastrophen wie jetzt Opel in Bochum für die Verantwortlichen nicht mehr so leicht umsetzbar.
Georg
Gast
"Viele Arbeiter fordern eine Neuabstimmung über den Sanierungsplan."
ist wahrscheinlich nur eine Behauptung von Opel (oder der Gewerkschaft) um den berechtigten Widerstand der Kollegen gegen die Schließung zu spalten.
Was wäre wenn
Gast
die Opelaner ihre Fabrik besetzen und weiterführen?
magy
Gast
Warum rettet unsere Kanzlerin das Opelwerk nicht. somit reichlich Arbeitsplätze.
Warum retten wir mit Milliarden andere Länder und lassen die eigenen Bürger untergehen ??????
pomp1
Gast
Na ich weiss nicht. Davon abgesehen, dass die Autobauer mit die besten Terifverträge in Deutschland haben, war es schon seit 5-6 Jahren absehbar, dass Opel keine Zukunft hat. Damals hätten sich die Beschäftigten schon um eine andere Perspektive kümmern können/müssen. Hat seitdem etwa noch ein neues Auto, eine Wohnung oder Haus oder ähnliches auf Pump gekauft?Es gibt einfach zuviele Autos und Autofabriken und die Masse der Menschen kaufen sich heute nicht mehr alle zwei Jahre ein neues und die Dinger halten in aller Regel auch länger. Nee, nee. Handeln hätte früher stattfinden müssen. Ich habe leider kein Mitleid.
Frank G
Gast
Tja, dumm gelaufen, liebe Opelaner. Das kommt raus, wenn man sich auf einen inkompetenten und ideologisch verblendeten Betriebsrat verläßt.
Richard Detzer
Gast
Opel weg, SPD und Gewerkschaften bleiben übrig. Danke Deutschland!