Online-Projekt querdenker-shop.com: „Wechseln Sie den Kurs!“
Ein Onlineshop ködert Verschwörungsideologen mit einschlägigen Artikeln. Aber zu kaufen gibt es nichts: Statt dessen gibt es ein Ausstiegsangebot.
Im Angebot ist hier etwa der „Seeker“, ein Detektor für Mikrochips unter der Haut, oder „Alert“: eine Leuchte, die auf 5G-Strahlungen reagieren soll. Ganz ohne Hightech kommt „Cover“ aus, eine Arm-Atrappe aus Silikon, die in „jeder Hautfarbe“ vor Zwangsimpfungen schützen soll. Wer auf dem Hamburger Portal auf „mehr erfahren“ klickt, bekommt allerdings nicht die Preise angezeigt, sondern ein eher grundsätzliches Angebot zum Umdenken und die Aufforderung, die eigene Weltsicht zu hinterfragen.
Den vermeintlichen Shop hat „Kurswechsel Hamburg – Ausstiegshilfe Rechts“ online gestellt. Das Team ist beim Christlichen Jugenddorfwerk Deutschlands e. V. (CJD) angesiedelt. Mit dem Produktdesign-Studenten Hans Thiele von der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Dresden hat die Ausstiegshilfe vier fiktive Produkte entwickelt, die Querdenker*innen ansprechen könnten.
Die Idee: Nach dem Klick auf „mehr erfahren“ findet sich ein Angebot zum Innehalten und zum Gespräch. „Seit Anfang 2020 stellt die Coronapandemie täglich Menschen weltweit vor Veränderungen und neue Herausforderungen“, heißt es dort. Nicht „nur in solchen, als Krisen erlebten Zeiten“ sei es für eine freie und lebendige Gesellschaft wichtig, „Sachverhalte zu hinterfragen, zu diskutieren und sich auch über kontroverse Themen auszutauschen“.
Doch dem Glauben, dass „hinter allem finstere Mächte stehen und die ganze Welt gelenkt“ werde, folgten „meist antisemitische, rassistische und menschenverachtende Ideologien“. Kurswechsel warnt davor und schlägt vor: „Lassen Sie es nicht soweit kommen, wechseln Sie den Kurs und sprechen Sie mit uns!“ Es folgen die Kontaktdaten.
Der Shop ist seit dem 16. Februar online. Die Adresse der Webseite wurde in den verschiedensten Online-Gruppen und auf Seiten von Verschwörungsgläubigen veröffentlicht, sagt ein Mitarbeiter von „Kurswechsel“.
In Hamburg verschickten sie zeitgleich 12.000 Postkarten, um auf dem „Querdenker-Shop“ aufmerksam zu machen. Das Ziel der Seite sei nicht nur, „jenen ein Gesprächsangebot zu machen, die beginnen, an den verschiedenen Verschwörungserzählungen zu zweifeln“, sagt er. Sie möchten auch diejenigen Menschen auf ihr Angebot aufmerksam machen, „die sich Sorgen um ihre Angehörigen machen, weil diese in den Bann solcher Verschwörungsideologien geraten sind“.
Die Ausstiegshilfe versuchte zuvor, Jugendliche aus dem neu-rechten Spektrum mit Angeboten anzusprechen. Das Projekt wird unter anderen im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ und über das Landesprogramm zur Förderung demokratischer Kultur, Vorbeugung und Bekämpfung von Rechtsextremismus „Hamburg – Stadt mit Courage“ gefördert. Die ersten Zugriffszahlen zeigten bereits, dass die Aktion gelungen ist – mit steigender Tendenz, so ein Mitarbeiter.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“