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Online-Doku „Israelism“Langsamer Abschied

Junge Juden in den USA verlieren ihre Verbundenheit zu Israel. Die englischsprachige Dokumentation „Israelism“ begleitet einige von ihnen.

Simone Zimmerman, zeigt die Flaggen, die sie als Kind in der Schule gemalt hat Foto: Israelism

Ein guter Jude tritt der israelischen Armee bei. Eine gute Jüdin ist eine Anwältin für Israel. Das sind die Dogmen, mit denen die amerikanische Jüdin Simone Zimmerman im Kalifornien der 1990er Jahre aufwuchs. „Israel wurde als zentraler Teil der jüdischen Identität gesehen“, erzählt die heute 34-Jährige in der Doku „Israelism“.

Der englischsprachige Film zeigt die Geschichte einer neuen Generation linker Jüdinnen und Juden in den USA, die sich mit der patriotisch-nationalistischen Erziehung ihrer Kindheit auseinandersetzen. Eine Kindheit, festgehalten in ausgemalten Bildern von Großisrael, Erinnerungen an kostenlose Reisen ins Heilige Land oder Sommercamps, in denen die Jugendlichen Soldaten spielen durften.

„Israelism“ lief 2023 auf US-Filmfestivals und gewann Preise. Doch nach dem 7. Oktober wurde der Film zur Zielscheibe rechter Cancel-Versuche. Seit kurzer Zeit ist die Doku auf dem YouTube-Kanal des katarischen Senders Al Jazeera verfügbar. Zimmerman berichtet darin, wie ihr eigenes Umdenken einsetzte. Am College, sagt sie, sei sie das erste Mal mit der palästinensischen Perspektive konfrontiert gewesen, die in der Indoktrination ihrer Kindheit keine Rolle gespielt hatte. Ein solcher Bewusstseinswandel, das macht die Doku klar, ist schmerzhaft, zerreißt Familien und treibt Freundschaften auseinander.

„Israelism“ positioniert sich deutlich gegen die Unterdrückung der Palästinenser, versucht aber andererseits zu verstehen, weshalb sich so viele Juden in der Diaspora mit dem Staat Israel verbunden fühlen. Es ist das Trauma der antisemitischen Verfolgung, aus dem der Wunsch nach einem starken, wehrhaften Staat erwächst. Doch wenn Wehrhaftigkeit in Unterdrückung und Apartheid umschlagen, geht am Ende auch die Sicherheit verloren. Die Regisseure Erin Axelman und Sam Eilertsen haben mit „Israelism“ ein wichtiges Zeitdokument geschaffen. Eine unbedingte Empfehlung.

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13 Kommentare

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  • Welcher Intention die Doku folgt, warum Al Jazeera ausgerechnet diese ‘jüdische‘ Doku ins Programm nimmt, was sie ansonsten tunlichst vermeiden, dass diese Doku vor dem 7.10.23 entstand, dürfte auch ohne Politikstudium klar sein.



    Was ich in der Doku sehe: Kleine Mäuse, süße Teenager, die anstelle von Nachtwanderung im Ferienlager oder Jungs-Mädchen-Liebeleien von klein an aufs brutale Überleben vorbereitet werden.



    Der Antisemit kann in ihnen nur die militärisch gestählte Brut eines Monstervolks erkennen. Deswegen willkommen bei Al Jazeera.



    Trotz der ‘Stählung‘ bleiben die Jungs und Mädels aber auf eine eigentümliche Weise weich, reflektiert und zivilisiert. Den Antisemiten wiederum dürfte gerade das erst recht in Rage bringen.

  • Dahinter steckt sicher auch die nicht ganz unbegründete Angst trotz aller Säkularisation und bei den Religiösen der Assimilation wieder ausgegrenzt zu werden. Es gibt in den westlichen Ländern überall noch den alten faschistischen Antisemitismus und auch den neuen aus dem arabisch-asiatischen Raum importierten sowohl hier als auch in den USA. Da würde ich mir auch einen sicheren Hafen wünschen, auch wenn dort gerade ein Drecksack an der Regierung ist.

  • Michaela Dudley , Autorin , Journalistin/Kabarettistin

    „Seit kurzer Zeit ist die Doku auf dem YouTube-Kanal deskatarischen Senders Al Jazeeraverfügbar.“

    Bereits 2017 sperrten Saudi-Arabien, Ägypten, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate die Website von Al Jazeera. Ja, ausgerechnet andere islamistische Länder legten Al-Jazeera das Handwerk.

    Dass „Israelism“ bei Al Jazeera eine Art Zuflucht findet, wundert also keineswegs. Es spricht aber weder für die Authentizität noch für die Objektivität des Films.

    Am 25. März 2024 löschteAl Jazeeraschweren Herzens, wohl bemerkt, das Video einer Frau namens Jamila al-Hissi, die behauptet hatte, israelische Soldaten hätten beider Belagerung des Al-Shifa-Krankenhauses„Frauen vergewaltigt, Frauen entführt, Frauen hingerichtet und Leichen unter den Trümmern hervorgezogen, um ihre Hunde auf sie loszulassen“. Denn es handelte sich um falsche Angaben. Stichwort: Fake News.

    Der ehemalige Geschäftsführer vonAl Jazeera, Yasser Abu Hilalah, schrieb auf X (Twitter) dazu: „Untersuchungen der Hamas haben ergeben, dass die Geschichte der Vergewaltigung von Frauen im Shifa-Krankenhaus erfunden war.“

    • @Michaela Dudley:

      Vielleicht sollten man sich den Film erstmal anschauen und sich informieren bevor man Behauptungen aufstellt. Der Film wurde von jüdischen Menschen gemacht für andere jüdische Menschen. Der Film wurde nicht von Al Jazeera produziert oder finanziert, er wird jetzt lediglich über deren Plattform vertrieben. Viele der Vorführungen des Films wurden sogar von jüdischen Studentengruppen und Abteilungen für jüdische Studien finanziert.



      Und wenn sie hier AlJazeera deligitimisieren wollen wegen einer Falschmeldung (für die sie keine Beweise haben das sie "schweren Herzens" gelöscht wurde, dass ist ihr Meinung) dann können sie fast alle großen westlichen Medien ebenso deligitimisieren nach den Falschmeldungen allein in diesem Konflikt die richtig gestellt werden mussten.



      en.wikipedia.org/w...%E2%80%93Hamas_war



      Oder erst vor kurzem als ein Video aus Amsterdam falsch dargestellt wurde: www.dw.com/en/fact...sraelis/a-70763374

      • Michaela Dudley , Autorin , Journalistin/Kabarettistin
        @Momo Bar:

        „Al Jazeera takes down video falsely alleging IDF rapes in Shifa Hospital:



        Qatari network’s ex-director says ‘Hamas investigations’ have debunked claim broadcast by news channel hours earlier; claimant wanted ‘to arouse the nation’s fervor’“



        Bericht von Toi Staff in „Times of Israel“, 25. März 2024

        Link: www.timesofisrael....ospital-retracted/

    • @Michaela Dudley:

      Ist das diese Cancel Culture von der alle reden?

      • Michaela Dudley , Autorin , Journalistin/Kabarettistin
        @Harmo-Nie:

        Die Enthüllung von Fake News kann in gewisser Weise als Cancel Culture bezeichnet werden, wenn sie dazu dient, Unwahrheiten zu löschen.

        Zahlreiche Vorwürfe gegen Israel entpuppen sich als unwahr, wenn man genauer hinschaut.

    • @Michaela Dudley:

      Nun war AJ nicht das einzige Medium, das im Falle Gazas falschen Informationen aufgesessen ist (ich erinnere gerne an die Causa Bild-Zeitung); sich an dem Sender abzuarbeiten, der diese Dokumentation veröffentlicht, macht ohnehin wenig Sinn: dass sich junge amerikanische Juden mehr und mehr von Israel distanzieren, ist ja kein bisher unbekanntes Phänomen, sondern auch durch etliche Berichte und Umfragen dokumentiert. Interessant ist, dass gerade die Kreise, die sich sonst so lautstark an die Seite „der“ Juden stellen, darauf mit Diffamierungen reagieren: offenkundig endet die Solidarität, wenn Juden eine andere Meinung haben. Das zeugt von einem reichlich instrumentellen Verhältnis zum Judentum.

      • @O.F.:

        Die Umfrageergebnisse, die zeigen, dass diese Haltung unter jungen Juden in den USA ein Massenphänomen ist, haben Sie sicher parat?



        Und ja, auch manche jüdischen Menschen haben Meinungen, die ich falsch finde. Was folgt daraus?

        • @Kai Ayadi:

          Umfrage 2013: www.pewresearch.or...es-towards-israel/



          Umfrage 2021: www.pewresearch.or...des-toward-israel/



          Unter den Punkten Attachement to Israel: Alter 18-29_ very or somewhat attached 60% (2013) nur 48% (2021) not very attached or attached at all 38% (2013) und 51% (2021); in der Gruppe bis 49 Jahre alt unterscheiden sich die Zahlen kaum; erst bei älteren jüdischen Menschen differenzieren sie, sie zeigen eine höhere Verbundenheit mit Israel.



          In dieser Unfrage werden Umfragen unter Amerikanern aber auch speziell jüdischen Amerikanern gezeigt: www.brookings.edu/...ons-toward-israel/



          Und hier eine umfangreiche Studie ebenfalls von 2021. Auf Seite 36 finden sie zum Beispiel Meinungen von jüdischen Amerikanern zum Thema Völkermord, Apartheid, Rassismus auch nach Altergruppen: www.jewishelectora...nalysis-071321.pdf

        • Michaela Dudley , Autorin , Journalistin/Kabarettistin
          @Kai Ayadi:

          Genau. Das zeugt von der Meinungsvielfalt der jüdischen Community, und das ist auch gut so.

          Immerhin behaupten, laut dieser Studie des PEW-Instituts (April 2024), sage und schreibe 89 % der befragten amerikanischen Juden, dass Israels Krieg gegen die Hamas gerecht sei. Selbst bei jüngeren amerikanischen Juden liegt die Zustimmung für Israels Krieg bei 80 %.

        • @Kai Ayadi:

          Ein einziges Mal googeln wuerde genuegen, um etliche neuere Umfragen zu finden (zumal das Thema wirklich nicht neu ist), aber hier sind zwei Beispiele:



          www.pewresearch.or...-israel-hamas-war/



          forward.com/news/6...oters-israel-gaza/



          (Im zweiten Link müssen Sie den ganzen Artikel lesen, das Verhältnis zu Israel wird erst in der zweiten Hälfte thematisiert)



          Welche Folgerungen Sie daraus ziehen und wem Sie recht geben, bleibt erst einmal Ihnen ueberlassen. Nur sollte man eine solche Meinungsvielfalt zumindest zur Kenntnis nehmen, statt mit einer Solidaritaet hausieren gehen, die dann unter ideologischen Vorbehalt gestellt wird.

  • Ist ja auch schwer, ein Land zu preisen, dessen Regierende andere unterdrücken, diskriminieren oder sie gar zu vertreiben oder im Kriege als Nebenopfer töten suchen. Jemand mit moralischen Ansprüchen lässt sich dann schwerlich noch vereinnahmen, sondern wird das nüchterner betrachten. Assad ist weg. Netanyahu ist vielleicht der Nächste.Dann kommt womöglich auch die Zeit einer friedlichen Lösung, also einem Ende der Besatzung und einem gegenseitigen Respekt.