piwik no script img

Online-Abstimmung über Piraten-PolitikerAnonymes Abkotzen

Die Piraten versprachen einen neuen Politikstil. Jetzt hat die Basis abgestimmt, wie zufrieden sie mit dem Führungspersonal ist.

Autsch! Ober-Pirat Johannes Ponader bekam beim Onlinevoting keine guten Noten von der Basis. Bild: dpa

BERLIN taz |Pünktlich zur Geisterstunde, eine Minute vor Mitternacht, versuchte sich Johannes Ponader an einem Witz. „Habe schlechte Nachrichten für euch“, meldete der politische Geschäftsführer der Piraten auf Twitter. „Muss noch ein Jahr weitermachen – bin durchgefallen.“ Dahinter ein Smiley. Und ein Link auf eine Statistik.

Der Parteipromi gab darin bekannt, wie die Basis seine Vorstandsarbeit in einer Onlineumfrage beurteilt hatte. Das Ergebnis allerdings fiel alles andere als spaßig aus. Zumindest für Ponader.

Mehr als die Hälfte der gut 2.000 Piraten, die seine Parteiarbeit bewerteten, erteilten ihm die Schulnote Sechs. Am zweithäufigsten vergab die Basis die Note Fünf. Nur 337 der Teilnehmer fanden, Ponader mache sich als politischer Geschäftsführer gut oder sehr gut.

Auch wenn sich ein großer Teil der insgesamt gut 5.000 Umfrageteilnehmer aus der Notenvergabe heraushielt, lässt das Ergebnis der Befragung ahnen, wie isoliert und umstritten der 36-jährige Theatermann knapp ein Jahr nach seiner Wahl in das Spitzenamt ist. Es zeigt nebenbei aber auch, wohin es führen kann, wenn eine Parteispitze die frustrierten Mitglieder ganz basisdemokratisch zum anonymen Abkotzen einlädt.

Schließlich durften die Piraten ihr Führungsgremium nicht nur auf einer Skala von 1 bis 6 benoten, sondern allen Vorständen darüber hinaus ein persönliches „Feedback“ mit auf den Weg geben. Auch diesen Part der Befragung machte Johannes Ponader am Wochenende von sich aus öffentlich.

Spinner, Schmarotzerhippie, Vollidiot

Was vom Bundesvorstand als basisdemokratischer Weg aus der Führungskrise gedacht war, liest sich im Ergebnis wie ein von oben anberaumter Shitstorm. Ein Pranger 2.0. Seine Mitstreiter fordern ihren politischen Geschäftsführer nicht nur reihenweise zum Rücktritt auf, er wird auch serienweise heruntergemacht und angepöbelt: Johannes Ponader trete auf „wie der letzte Penner“. Er sei ein „verstrahlter Spinner“, „selbstverliebt und dabei völlig unfähig zur Kommunikation“. „Ein Tagträumer und Schmarotzerhippie“, ein „unmöglicher Mensch“. Eine „Diva“, „unbelehrbar – aalglatt – unsympathisch“. Ein „dummer Kasper“, „Laberhannes“, ein „Vollidiot“, „Dummschwätzer vor dem Herren“ und „Totengräber der Partei“, „absoluter Assi“, „Querulant“, „Egozentriker“. Ponader sei „völlig durchgeknallt“, ein „Psychopath“, ein „absoluter Vollpfosten“, ein „kleingeistiger Hartz4-Honk“, ein „Komplettausfall“, das „Allerletzte“ – ja: „der Parteizerstörer“.

Der seitenlange „Feedback“-Bogen lässt ahnen, warum der Vorstand es jedem Einzelnen der sieben Mitglieder überlassen hatte, den persönlichen Teil der Umfrage öffentlich zu machen oder auch nicht. Doch gerade Johannes Ponader, der die Basisbefragung im Vorfeld vehement kritisiert hatte, blieb letztlich keine Wahl. Schließlich hatte er selbst immer wieder mehr Transparenz in der Vorstandsarbeit gefordert. Nun ist er maximal demontiert.

Weitere Ergebnisse folgen

Außer Ponader machten auch Bundesschatzmeisterin Swanhild Goetze und Generalsekretär Sven Schomaker am Wochenende öffentlich, wie ihre Arbeit bei der Basis ankommt. In beiden Fällen fiel die Bewertung deutlich positiver aus als die für Ponader. Die anderen Vorstandsmitglieder hatten bis Sonntagmittag noch keine Basiszeugnisse ins Netz gestellt.

Für Montagmorgen hat der Bundesvorstand eine Pressekonferenz in Berlin angesetzt. Dort will Parteichef Bernd Schlömer weitere Umfrageergebnisse präsentieren – unter anderem zu der Frage, ob die Basis mit der aktuellen oder einer neu gewählten Parteispitze in den Bundestagswahlkampf ziehen will. Die Piraten bekommen seit Wochen in Meinungsumfragen unter 5 Prozent der Stimmen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • C
    cadaverbag

    habe das zwar nicht im detail mitverfolgt, aber ziemlich klar ist eigentlich immer, das die "zufriedenen" eher nix sagen, während die "frustrierten" natürlich abkotzen.

    und das niveau der kommentare spricht auch bände über die kommentatoren, unterste schublade von persönlichen beleidigungen sind doch oft genug projektionen und eigene defizite, meiner erfahrung nach.

    da nimmt man sich nix zu den etablieren, und das ist für mich das eigentlich erschreckende: systemkonform ...

  • D
    duke

    Kann dem Kommentar von 22:20 Uhr nur zustimmen:

     

    Ich finde auch, dass Schlömer und Nerz viel schlimmere CDU-Verschnitte und Todesgräber sind als Ponader je mit seinen Badelatschen niedertrampeln kann (nein, ich find das lässig, aber ich weiss, was Springer und Bertelsmann daraus machen).

     

    Ich weiss nicht, warum solche Pfeifen wie Nerz und Schlömer überhaupt an ihre Posten gekommen sind, die locken doch mit ihren vorgefertigten Standardsätzen mit Nullaussage keinen unter 30 an die Urne.

     

    Ponader ist sicherlich auch keine Vorzeigeperson für die Bundestagswahl, aber immerhin hat er Haltung und gibt Kontra.

     

    Für die Bundestagswahl bräuchte die PP eigentlich Lauer und Weisband als Spitzenduo, um noch was zu reissen, was aber nicht möglich ist.

  • O
    olmarand

    Ich habe daran teilgenommen.

    Es war nicht unmöglich, aber so "intuitiv" waren die Fragen nicht. Vielleicht ein Grund warum viele zwischendrin aufgaben.

    Ein weiterer Punkt ist wohl (vermute ich) daß viele Piraten sich derzeit fragen, ob Investition (sei es auch nur von Zeit) sinnvoll ist.

    Ich persönlich meine ja, jedoch muß ich für mich noch klären in welcher Form. Aufgeben sollte man auf keinen fall, ich werde es jedenfalls nicht tun.

  • T
    tazitus

    Kleistenes 2.0

  • SI
    Schlömer ist unglaubwüdig

    Praten-Parteichef Schlömer müsste als erstes abgewählt werden. Denn er ist als Beamter seinem CDU-Dienstherrn, dem Verteidigungsminister, verpflichtet. Wie soll er eine alternative Politik bei den Piraten machen? Das geht gar nicht. Auch Herr Nerz gehört in die CDU und reizt niemanden die Piraten zu wählen.

     

    Ponader war noch der interessanteste. er ist wenigestens für ein bedingungsloses Grundeinkommen und hat unakzeptable Machenschaften des Jobcenters öffentlich bekannt gemacht.

  • OR
    otto runge

    Am wesentlichsten ist doch, dass sich von rund 36.000 Mitgliedern gerade mal 5.000 an der Umfrage beteiligten.

     

    Der Rest hatte schlichtweg keine Lust auf 'Wahlcomputer' und lehnte die Umfrage, die auch als Test für die Akzeptanz einer 'Ständigen Mitgliederversammlung im Internet' zu verstehen ist, rundweg ab.