piwik no script img

„Oma Anni“ ist totMietrebellin und Postergirl

Bekannt wurde sie durch ein Wahlplakat der Berliner Linkspartei und so zum Symbol gegen Gentrifizierung. Ende Dezember ist Anni Lenz gestorben.

Anni Lenz lebte fast ein Jahrhundert lang Foto: dpa

Im Berliner Wahlkampf zankten sich SPD und Linke um sie. Nun ist Anni Lenz in der Nacht vom 27. auf den 28. Dezember gestorben. 95 oder 96 Jahre alt wurde die Rentnerin, da ist die Quellenlage uneindeutig. Dass „Oma Anni“ aber eine „Mietrebellin“ und eine „Symbolfigur des Widerstands für den unbeugsamen Kampf von Mieterinnen und Mietern um ihr Zuhause und gegen Verdrängung“ war, wie die Berliner Linkspartei in einem Nachruf auf Twitter schreibt, darin sind sich alle einig.

Im Strickpollunder an ihrem Fensterbrett lehnend wurde sie über Berlin hinaus bekannt. Vor allem deshalb, weil sie zwar mit ihrem Gesicht auf einem Wahlplakat für die Linkspartei warb, gleichwohl aber nicht verschwieg, treue SPD-Wählerin zu sein. Auch wenn Anni Lenz eingewilligt hatte, an der Linken-Kampagne mitzuwirken, sagte sie: „Ach wo. Ich bin nicht für Die Linke. War immer SPD, das bleib ich auch.“ Die SPD reagierte prompt und reklamierte Lenz für sich.

Die Rentnerin wohnte seit mehreren Jahrzehnten in der Siedlung Am Steinberg in Berlin-Reinickendorf. Ein Leben lang habe sie geschuftet, weiß der Kurier zu berichten. „Schon mit 10 auf dem Kartoffelacker, drei Kinder großgezogen, immer gearbeitet als Verkäuferin.“ Im Alter wolle Oma Anni genießen: den schönen Garten, wo der Zaunkönig so herrlich singe, die Eichhörnchen über den Rasen huschen. Die Familie mit Urenkeln.

Bereits 2014 wurde Lenz als Fallbeispiel zitiert, als sie sich gegen die Sanierung und Mieterhöhung in ihrem Viertel engagierte. Ein privater Investor hatte das Gelände mit 38 Reihenhäusern und drei Mehrfamilienhäusern gekauft und bewirbt es im Internet als Projekt „Stonehill Gardens“. Einige Mieten sollen durch Modernisierungen von knapp 400 auf 1.700 Euro ansteigen. Die Verhandlungen zwischen Mietern und Eigentümer laufen noch immer, hieß es im letzten August.

An ihrem 93. Geburtstag fand Oma Anni die Kündigung im Briefkasten. „Ach wo“, wehrte sie ab. „Die kriegen mich hier nicht raus.“ Nun ist es wohl doch passiert. Doch halt, eine Hoffnung besteht noch: Ihr Viertel trägt auch den Namen „Kehrwieder“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • "Ein privater Investor hatte das Gelände gekauft ..."

     

    Das war und ist ein SPEKULANT - so wie alle anderen "Investoren" es nun mal leider auch sind.

     

    Wozu die sprachliche Verniedlichung - auch in der TAZ?

    • @stadtlandmensch:

      Der Spekulant i n v e s t i e r t in Spekulationsobjekte. Damit ist er nicht nur Spekulant, sondern natürlich auch Investor. Kapitalismus ist niemals niedlich - egal, welche Worte man für die Verwertungsvorgänge wählt.

  • Schade, dass sie immer SPD gewählt hat. Zweimal kann schließlich keiner in den Himmel kommen.

    R.I.P.