Olympische Disziplin in Tokio: Existenzialsatz vs. Agenspartizip
Haarsträubende geschlechtsübergreifende Schlagabtausche: Finnische Grammatik ist jetzt erstmals olympische Disziplin in Tokio.
Surfen, Karate oder Baseball sind in diesem Jahr neu bei Olympia. Was kaum jemand weiß: Auch die anspruchsvolle Disziplin Finnische Grammatik (kurz: Finn-Gramm) ist erstmals in Tokio mit dabei. Die Athleten treten einzeln gegeneinander an, die – geschlechtsübergreifenden – Schlagabtausche sind mitunter haarsträubend. Finnische Muttersprachler dürfen aktiv nicht an Wettkämpfen teilnehmen, sind aber als Trainer sehr begehrt.
Einer der Favoriten auf eine Finn-Gramm-Medaille in Tokio ist der Franzose Grégoire Roger, derzeit amtierender Europameister. Seine finnische Trainerin Seija Hämäläinen coacht den 34-Jährigen bereits seit zwölf Jahren und hat von Anfang an großes Potenzial in ihrem Schützling gesehen: „Er hat das Prinzip des Partitivs sofort durchdrungen, und auch bei der Habeo-Konstruktion und den Verneinungsverben war er seinen Mitschülern seinerzeit schnell um Längen voraus.“ Mittlerweile seien die Feinheiten der Tempora Konditional und Potential seine besondere Stärke, gerade beim Aufschlag komme diese Qualität zum Tragen.
Schärfste Konkurrentin von Roger ist die Newcomerin Jette Middelgaard. Die 28-jährige Dänin wird seit knapp zwei Jahren vom Kulttrainer Seppo Rantala trainiert, der schon Giuseppe Brancusi, den umjubelten Finn-Gramm-Weltmeister von 2008, zum Titel führte. Der Coach lobt die Durchschlagskraft von Middelgaards grammatischer Rückhand: „Wenn der Gegner mit einem Agenspartizip aufschlägt, kontert sie blitzschnell mit einem Nezessivsatz, der es in sich hat.“ Die Dänin hat sich mittels Videos früherer Partien ausführlich mit der Spielweise von Roger und anderen Konkurrenten auseinandergesetzt und geht nach eigenen Angaben „ruhig und gelassen“ in die Vorrunde: „Die Verneinungspartizipien und Dualpronomen, die mir phasenweise Probleme bereitet haben, laufen jetzt wie am Schnürchen.“ Und die Ableitungssuffixe, die noch einmal besondere Kreativität erfordern, habe sie mit Rantala kürzlich in einer besonderen Trainingseinheit zum Thema gemacht.
Direkt aus dem Trainingslager nahe Savonlinna ist die Nigerianerin Amani Okeke nach Tokio gereist. Sie hat sich in der finnischen Natur nicht nur einer grammatischen Frischzellenkur unterzogen, sondern sich „auch körperlich auf Vordermann gebracht“, so Okeke. Sauna, Schwimmen in den klaren Seen und die nordische Küche „reinigen und stärken Körper und Geist“, weiß ihre Trainerin Tuula Huotari seit Kindesbeinen. Okeke spielt seit vier Jahren in der höchsten nigerianischen Finn-Gramm-Liga und war bereits zweimal Landesmeisterin. Für Olympia konnte sie sich mit dem Sieg über den ägyptischen Meister Saddam Mansour in letzter Minute qualifizieren. „Mit dem dritten Infinitiv im Illativ habe ich im Tiebreak gewonnen und so das Ticket nach Tokio gelöst“, sagt die 25-Jährige sichtlich zufrieden.
Deutsche Finn-Gramm-Sportler treten in Tokio nicht an: Die Lübecker Medaillenhoffnung Melanie Trautwein verpasste wider Erwarten die Olympia-Qualifikation. „Es lief zuerst ganz gut, aber dann habe ich den entscheidenden Abessiv Plural ins Aus gesemmelt“, erklärt sie in der Videoschalte. Doch eins habe sie ein für alle Mal gelernt: „Wenn der Nezessivsatz ein Objekt hat, steht das Totalobjekt im Nominativ.“
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