piwik no script img

Olympia auf ARD und ZDFMit einem Brett im Nacken

Die Leistungen der Olympioniken sind grandios, die öffentlich-rechtlichen Sender können nicht mithalten. Die Veranstaltung ist zu groß.

Mit „einem Brett im Nacken“: der Tscheche Jiri Prskavec im Wildwasserkanal Foto: Kirsty Wigglesworth/ap

W ährend der Fußball manchmal mit zwei Tönen in Moll auskommt, wird bei Olympia wie wild auf der kompletten Klaviatur gespielt. Das ist ganz schön, wenn da nicht diese Bemerkungen aus dem Off wären. Da sagen Frauen oder Männer der Sender ARD und ZDF Dinge wie: „Das war ein Brett vom Gegner, und das hat er jetzt im Nacken.“

Oder: „Der Medaillendrops ist gelutscht.“ Oder: „Überraschender Vorsprung der Serbier.“ Während ich bei solchen Begleitworten die Lust am Sport verliere, scheinen die Athleten in Paris ganz anderes zu verlieren, nämlich Beine, Boote und Köpfe, wie mir die Kommentatoren versuchen weiszumachen. Hoffentlich gibt es in der Olympiastadt ein Fundbüro für derlei herrenloses Gut.

Die Leistungen der Olympioniken sind zumeist grandios, jene der Sportvermittler aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eher nicht, dabei hatten sie immerhin vier Jahre Zeit, sich in ihrer Sportsparte auf „Bananen“ und Tsukaharas (Turnen), „Danas“ und Strafecken (Hockey) vorzubereiten. Eigentlich ein Traumjob: Man kümmert sich, gefüttert von Gebühren, vier Jahre vorbildlich um 7er-Rugby, um dann, wenn es ernst wird und die olympische Fackel brennt, Belanglosigkeiten der schmerzhafteren Art von sich zu geben. Im 7er-Rugby käme man zwar nur auf eine Sendezeit von wenigen Minuten während der olympischen Tage, aber sei’s drum.

Ein Strudel, der Twitteristi bekannt sein dürfte

Das liegt am Fokus des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der die Unübersichtlichkeit bei den Spielen, die Flut der Ereignisse, ganz einfach löst: Man hangelt sich von Deutscher zu Deutschem zu Deutscher zu Deutschem. Der nationale Weg ist mit guten Vorsätzen gepflastert, aber ausgetreten.

So klinkt man sich als Freund der Selbstbestimmung aus dem Einerlei des Öffi-Hauptstroms aus und stürzt sich auf die Livstreams von ARD und ZDF. Da gibt es einige, und das Angebot ist verlockend groß, aber auch als hoch motivierter TV-Individualist beherrscht man Olympia nicht. Es ist zu groß. Es erschlägt einen.

Und so gerät man in einen Strudel, der Twitteristi bekannt sein dürfte: Man konsumiert Schnipsel, zippt und zappt, die Aufmerksamkeitsspanne schwindet bedenklich – und kein Ende des Häppchenkonsums ist in Sicht. Die olympische Hatz kennt keine große Anmoderation, kaum Analyse und Nachbereitung. Man springt von Sportart zu Sportart, von Stätte zu Stätte. Zeit zur Reflexion bleibt nicht, liebe Zuschauer, denn es geht schon wieder weiter: Pferde in Versailles, Schießen in Chateauroux, Fechten im Grand Palais.

Olympia sollte, so wie es beschaffen ist, kein Nachwuchsproblem haben, denn es funktioniert wie X oder Tiktok: Ein Tsunami der Bilder, ein Stakkato an Ereignissen und Geschichtchen leitet das Interesse der Nutzer. Wer hier „ohne nationale Brille“ den ganz großen Überblick behält, besitzt olympisches Format. Nur den wenigsten gelingt das.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Redakteur
Seit 1998 mehr oder weniger fest bei der taz. Schreibt über alle Sportarten. Und auch über anderes.
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Treffend beobachtet, grandios beschrieben. Sie sprechen mir aus der Seele. Ich glaube, ein bedeutender Grund sind die olympischen Wucherungen: Immer mehr Sportarten, imer mehr Entscheidungen. Überall muss noch eine Staffel, noch ein Mixed her. Dazu gibt es Sportarten, deren Modus dafür sorgt dass Athleten viele Auftritte haben, während andere mit 2 oder 3 auskommen.



    Ich habe nachgedacht und kann nicht wirklich sagen, wie man Olympia wieder so gestalten könnte, dass man das Gefühl hat, den Überblick zu erhalten. Und finde, dass das natürlich unwürdige Hangeln von Deutscher zu Deutschem unter diesen Umständen immerhin eine Überlebensstrategie ist und vielleicht beim Publikum ganz gut ankommt.



    Was mich wirklich stört ist die Moderation und das nicht nur wegen Versprechern und Platitüden. In der Regel reden die einfach zu viel. Die meisten Experten sind nicht hilfreich sondern nervig und wiederholen sich zu oft. Aber da gibt es Ausnahmen. Was total nervt z.B. beim Schwimmen ist wahlweise das Abfeiern eines Deutschen oder des Ersten, anstatt auch mal über andere zu sprechen oder sich nicht 10 mal zu wiederholen wie toll der Deutsche (oder der Erste) sind. Viel Luft nach oben.

  • Als antinationaler Nicht-Fan besteht das Problem nicht. Einfach die Sportarten "konsumieren" die man versteht und denen man gerne zuschaut. Wer da auf mehr als eine Handvoll kommt, der muss sport- oder fernsehsüchtig sein.

    • @TV:

      :-) ich habe mir nur die Eröffnung angesehen, war ganz witzig, der Rest kann nur noch langweilig werden.