Olympia-Attentat 1972: Es gab gar keinen Fernseher
Historiker fanden über den Anschlag auf israelische Sportler 1972 heraus: Die Terroristen haben den Polizeieinsatz nicht live im TV verfolgt.
Es schien bislang zum gesicherten Wissen zu gehören, das die Welt über das Attentat auf israelische Sportler bei den Olympischen Spielen 1972 in München hatte: Die Täter vom palästinensischen Kommando „Schwarzer September“ hätten die Maßnahmen der Polizei live im Fernsehen verfolgt. Es war zum „Symbol für den Dilettantismus von Polizei und Krisenstab“ geworden, wie die Historiker Adrian Hänni, Dominik Aufleger und Lutz Kreller formulieren.
Doch die drei Wissenschaftler vom Münchner Institut für Zeitgeschichte (IfZ) können zeigen: Dies ist ein Mythos, es gab in den Apartments der Sportler keine Fernseher und keine Radios. Der Bericht der Historiker stellt ein Zwischenergebnis der Erforschung des Olympiaattentats dar, bei dem elf israelische Sportler ermordet wurden. Mit der Erforschung ist eine Kommission von internationalen Experten beauftragt, die mit dem IfZ zusammenarbeitet.
Der Bericht, der am Mittwoch vorgestellt wurde, hilft auch, die Abfolge besser zu verstehen. Ein Polizeiangriff auf das Apartment, in dem die Sportler als Geiseln gehalten wurde, wurde nicht etwa wegen des Verdachts, die Terroristen könnten alles live im TV verfolgen, abgesagt. Abgebrochen wurde er vielmehr, weil sich gerade eine Verhandlungsdelegation mit Innenminister Hans-Dietrich Genscher auf dem Weg ins Apartment befand.
Was die Historiker jedoch betonen, ist das Ziel der Attentäter, eine möglichst große Weltöffentlichkeit mit Bildern zu versorgen. Der Kommandoführer Issa erklärte, so könne er „die Welt, die hier in so großartiger Weise zusammengekommen“ sei, „auf die Belange der Araber aufmerksam machen“.
Auch dem nun widerlegten Mythos können die Historiker „in einem gewissen Sinn eine höhere Wahrheit“ abgewinnen: Denn jede Menge Dilettantismus hatte es bei den deutschen Behörden wirklich gegeben. Nur eben dieses eine Detail nicht.
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