Olympia-Attentat 1972 in München: Streit um Entschädigung
1972 töteten Palästinenser in München elf Israelis. Nun will die Bundesregierung die Angehörigen entschädigen. Doch die lehnen die angebotene Summe als zu niedrig ab.
Das Angebot, das der neue deutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert, den Opferfamilien am vergangenen Freitag in der Botschaft in Tel Aviv vorgestellt hatte, sieht laut Bundesinnenministerium eine umfassende historische Aufarbeitung und eine Öffnung der Archive vor. Außerdem seien weitere Anerkennungsleistungen an die Hinterbliebenen der Opfer möglich.
Nach Angaben der Opferfamilien sieht der Vorschlag eine Gesamtleistung von zehn Millionen Euro für alle Hinterbliebenen vor, wobei frühere Zahlungen aus den Jahren 1972 und 2002 von insgesamt rund viereinhalb Millionen Euro angerechnet werden sollen. Dies entspreche aber nicht den internationalen Standards in ähnlichen Fällen. „Wir wollten nie öffentlich über Geld reden“, kritisierte Spitzer. „Aber nun sind wir gezwungen, es zu tun.“
Zusammen mit den Familien hatte auch Israels Präsident Jitzchak Herzog nach Deutschland reisen wollen. Bis zum 15. August soll nun bei Regierungsgesprächen zwischen Deutschland und Israel nach einer Lösung für die Entschädigungsfrage gesucht werden. Bei dem Attentat einer palästinensischen Terrorgruppe und einer gescheiterten Befreiungsaktion der deutschen Polizei waren am 5. und 6. September 1972 insgesamt elf israelische Sportler sowie ein Polizist ums Leben gekommen.
Zuvor hatte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums der Süddeutschen Zeitung gesagt, es sei entschieden worden, „die gravierenden Folgen für die Hinterbliebenen der Opfer in immaterieller und in materieller Hinsicht erneut zu artikulieren“. Dies sei das Ergebnis einer „Neubewertung“ des Olympia-Attentats und seiner Folgen durch die Bundesregierung „in den vergangenen Wochen“.
Unmittelbar nach dem Attentat hatte es nach Angaben des Bundesinnenministeriums Zahlungen aus Deutschland an die Angehörigen der Opfer in Höhe von rund 4,19 Millionen Mark (rund 2 Millionen Euro) gegeben. Rund 3,2 Millionen Mark davon seien humanitäre Leistungen durch die Bundesrepublik gewesen, teilte das Ministerium 2001 mit. Bei dem restlichen Betrag habe es sich um Spenden des Deutschen Roten Kreuzes und Leistungen des Nationalen Olympischen Komitees gehandelt.
Der Gesamtbetrag sei damals an das Nationale Olympische Komitee zur Weiterleitung an die Hinterbliebenen gegangen. 2002 erhielten die Hinterbliebenen weitere drei Millionen Euro – als humanitäre Geste, wie Bundesregierung, Freistaat Bayern und Stadt München damals erklärten.
Eine Klage auf Schadenersatz in Höhe von rund 40 Millionen Mark (rund 20,45 Millionen Euro) unter Verweis auf massive Fehler beim Polizeieinsatz wurde wegen Verjährung abgewiesen.
Aktualisiert und ergänzt am 27.07.2022 um 14:25 Uhr. d. R.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
„Männer“-Aussage von Angela Merkel
Endlich eine Erklärung für das Scheitern der Ampel
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“