Oligarch:innen in Medienunternehmen: Superreiche auf Sendung
Immer mehr Milliardär:innen kaufen sich in Medien ein und nehmen so Einfluss auf die Meinungsbildung. Was dagegen tun? Ein paar Vorschläge.
Dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter aufgeht, ist eine Binse. Doch dass es immer mehr Superreiche gibt, ist nicht bloß deshalb abstoßend, weil die Bereicherung auf dem Rücken der arbeitenden Bevölkerung vor sich geht. Das viele Geld der neuen Oligarch:innen verschafft ihnen auch viel Macht. In ganz Europa kaufen sie sich Fernsehsender, Zeitungen und Onlineplattformen. Die Medienkonzentration wird immer mehr zu einem Problem für die Demokratie.
Diese Woche machten zwei Milliardär:innen Schlagzeilen durch ihre Einflussnahme auf die Medien. Die tschechische Milliardärin Renata Kellnerova ist am Dienstag als zweitgrößte Aktionärin bei ProSiebenSat.1 eingestiegen. Sie besitzt nun 9,1 Prozent des Unternehmens. Kellnerova ist die reichste Person Tschechiens, geerbt hat sie ihr Vermögen von ihrem vor zwei Jahren durch einen Hubschrauberabsturz ums Leben gekommenen Ehemann Petr Kellner. Kellner war ein klassischer Oligarch, der durch die undurchsichtige Privatisierung ehemals volkseigener Betriebe reich geworden war.
Durch ihre PPF-Gruppe besitzt Kellnerova bereits ein ganzes Netz an Fernsehsendern und Onlineplattformen in Osteuropa und auf dem Balkan, darunter die größten privaten Sender in Tschechien und der Slowakei. Der Einstieg bei ProSiebenSat.1 ist eine Kampfansage an die Familie des italienischen Moguls Silvio Berlusconi. Diese besitzt bereits eine Sperrminorität bei ProSiebenSat.1 und will den Konzern zu einem europäischen Player ausbauen, um so eigenen Einfluss auf dem ganzen Kontinent spürbar zu machen. Italien sollte uns eine Warnung sein.
Der zweite Milliardär, um dessen Einfluss in den Medien es diese Woche ging, ist Frank Gotthard, einer der hundert reichsten Deutschen. Er ist mit dem Koblenzer Softwareunternehmen CompuGroup zum Multimilliardär aufgestiegen. Mit den Fernsehsendern TV Mittelrhein und WWTV ist er auch im Regionalfernsehen tätig – und offenbar einer der wichtigsten Unterstützer von Julian Reichelts neuem Projekt „Achtung, Reichelt!“.
Reichelts Studio ist in Berliner Räumen von Gotthardts CompuGroup untergebracht. Auch einen Notar teilen sich Gotthardt und Reichelt. Das Medienmagazin „Zapp“ berichtete diese Woche, Gotthardt habe von seinen Fernsehsendern verlangt, sie sollten mehr sein wie die Bild-Zeitung und „jede Woche eine neue Sau durchs Dorf treiben“. Wollen wir zulassen, dass irgendwelche Bonzen die Agora zum Schweinestall machen?
Die Liste der Beispiele im Ausland ist lang
Andere europäische Länder erleben, wie Milliardäre durch ihre Medienbesitztümer Einfluss auf die Öffentlichkeit nehmen. Man muss nur ins deutschsprachige Ausland schauen, um zu sehen, wohin das führt. In Österreich hat sich der vergangenes Jahr verstorbene Red Bull-Gründer Dietrich Mateschitz mit ServusTV einen Fernsehsender geschaffen, der Identitären wie Martin Sellner und Rechten wie Goetz Kubitschek eine Plattform bietet. Mateschitz äußerte sich immer wieder öffentlich gegen Geflüchtete und Zuwanderung, sein Fernsehsender schießt mit Vorliebe in dieselbe Richtung. Die FPÖ dankt mit Handkuss.
In der Schweiz hat sich Multimilliardär Christoph Blocher – der Doyen der extremen rechtspopulistischen Partei SVP – über die Jahre ein ganzes Zeitschriftenimperium zusammengekauft. Sein Ziel, den öffentlichen Diskurs in der Schweiz nach rechts zu ziehen, hat er damit schon lange erreicht.
Auch in Frankreich steht der Tycoon Vincent Bolloré immer mehr in der Kritik, seit sich seine Vivendi die Canal+-Gruppe gekauft hat und er damit zum wichtigsten Medienunternehmer des Landes aufgestiegen ist. Zu seinem Portfolio gehört auch CNEWS, ein krawalliger 24/7-Newskanal, der vor allem dafür bekannt ist, dem rechtsextremen Präsidentschaftskandidaten Eric Zemmour einen regelmäßigen Sendeplatz gegeben und ihn damit erst richtig bekannt gemacht zu haben. Bolloré hat sich auch die Verlagsgruppe Lagardère einverleibt und damit eine „integrierte rechtsextreme Mediensphäre“ geschaffen, wie Jacobin schrieb.
Der Urvater dieses Typus Medienunternehmers ist Rupert Murdoch, der in den USA, Großbritannien und in seinem Heimatland Australien dafür gesorgt hat, die öffentliche Debatte schrill und unversöhnlich zu machen. Mit Fox News und The Sun besitzt Murdoch zwei rechte Sturmgeschütze, die uns Trump und den Brexit mitbeschert haben.
Medienvielfalt schützen und Vermögen wegbesteuern
Noch sind wir in Deutschland nicht so weit. Hierzulande dauert ja auch alles immer ein bisschen länger. Das gibt uns Zeit, uns auf das Kommende vorzubereiten. Um die Demokratie vor den Oligarch:innen zu schützen, müssen Maßnahmen her: Gegen die Medienkonzentration müssen Behörden vorgehen und Fusionen verhindern, bereits bestehende Großkonzerne wie Springer oder Bertelsmann sollte man aufspalten. Und es muss endlich eine staatliche Medienförderung her, die auch wenig zahlungskräftigen Menschen und Gruppen erlaubt, Zeitungen, Radio oder Fernsehen zu machen. Nur so schützt man die Meinungsvielfalt vor dem Zugriff der Superreichen.
Der einfachere Weg aber ist, zu verhindern, dass solche Oligarchenvermögen überhaupt entstehen. Indem man Gewinne wegbesteuert, Erben zur Kasse bittet und Konzerne enteignet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“