Ohne fossile Energie: Düstere Zukunft der Gasleitung
Weniger Fossile bedeutet auch, dass Gasröhren überflüssig werden. Einen sozialverträglichen Wandel fordert Agora Energiewende.
Das scheint auch nötig. Kürzlich verursachte die Aussicht auf das Ende der Gasnetze schon einmal Aufregung. Manche Medien berichteten, die Stadtwerke Augsburg wollten bald die Lieferung von Erdgas einstellen. Das Unternehmen dementierte und besänftigte. Trotzdem wies es darauf hin, dass im Bundesland „Bayern ab 2040 nach geltendem Recht keine Heizung mehr mit Erdgas betrieben werden darf“ und Fernwärme als attraktive Alternative zur Verfügung stehe.
Das große Bild sieht so aus: Das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 bedeutet das Aus für fossile Brennstoffe wie Erdgas. Ein kleiner Teil der Gasinfrastruktur wird dann vielleicht für klimaneutralen Wasserstoff und Biogas gebraucht. Aber die meisten Gasleitungen werden überflüssig sein. Das könnte bis zu 90 Prozent des heute 555.000 Kilometer langen deutschen Verteilnetzes betreffen. Fachleute nehmen an, dass die Kosten für das schrumpfende Netz auf immer weniger Kund:innen umgelegt werden. Ab 2033 könnten die Ausgaben für Privathaushalte und Betriebe deutlich, ab 2040 sprunghaft steigen.
Eine Möglichkeit bestehe darin, die wachsenden Netzentgelte zu begrenzen, die in den Rechnungen der Kunden enthalten sind, sagte Agora-Chef Simon Müller am Mittwoch. Der Staat könnte „Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt“ zahlen, um die Überlastung von Haushalten mit niedrigen Einkommen zu vermeiden.
Wärmepumpen trotz Förderung teuer
Vor allem wird es aber darum gehen müssen, den Privathaushalten den Umstieg auf klimafreundliche Alternativen zu erleichtern. Dafür könne eine „höhere Förderung“ im Rahmen bereits existierender Programme infrage kommen, so Müller. Durch die Bundesförderung für effiziente Gebäude erhalten Immobilienbesitzer momentan bis zu 70 Prozent Förderung beispielsweise für den Einbau von Wärmepumpen. In manchen Fällen bleiben trotzdem Investitionssummen übrig, die manche Privatleute nicht stemmen können.
Ein weiterer Punkt: Große Städte müssen zwar bis 2026, kleine Kommunen bis 2028 eine Wärmeplanung erarbeiten. Die Einwohner wissen dann, ob und wo später die Versorgung mit Fernwärme geplant ist. Agora-Chef Müller rät aber dazu, die Gemeinden auch zu „verpflichtenden Fahrplänen“ anzuhalten, damit die Nutzer:innen auch erfahren, wann die neuen Anschlüsse kommen.
Auch für die Seite der Unternehmen braucht es nach Ansicht der Organisation zusätzliche Regeln. So solle ermöglicht werden, dass die Bundesnetzagentur den Betreibern der Gasnetze höhere Netzentgelte erlauben kann als gegenwärtig. Begründung: Die Firmen müssten ihre Investitionen in die Leitungen, die sie in den nächsten 20 Jahren stilllegen werden, noch refinanzieren können.
Aber wie sieht es nun mit der Angst aus, dass der Gasversorger irgendwann die Lieferung einstellt? Momentan sind die Interessen der Verbraucher stark geschützt. Schließlich soll niemand im Winter erfrieren, weil die Heizung nicht mehr funktioniert. Andererseits hat es keinen Sinn, wenn Firmen später kilometerlange Leitungen betreiben müssen, mit denen nur noch ein einzelnes Haus versorgt wird. „Rechtssichere Werkzeuge zur Umsetzung von Stilllegungen fehlen im heutigen Ordnungsrahmen“, mahnt Agora-Chef Müller.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“