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Ohne Betreuungim Wochenbett

Junge Mütter suchen oft vergebens nach Hebammen für die Geburtsnachsorge. Ambulanzen sind eine Alternative – fachlich gibt es Gründe für die häusliche Betreuung

Hebamme im Einsatz: In Wyk auf Föhr gibt es nicht mal mehr eine Geburtshilfe-Station Foto: Carsten Rehder/dpa

Von Esther Geißlinger

Das bange Warten auf den zweiten Strich auf dem Teststreifen, dann der Jubelruf: Ja, schwanger! – Hebamme Anke Bertram war live am Telefon dabei, als die junge Frau ihre Schwangerschaft feststellte. „Auch im frühesten Stadium oder sogar schon bei der Planung einer Schwangerschaft können Frauen sich an eine Hebamme wenden“, sagt Bertram, Landesvorsitzende des Hebammenverbandes Schleswig-Holstein. Meist suchen Schwangere ab der zwölften Woche ihre Geburtshelferin. Nicht überall ist das leicht – die Zahl freiberuflicher Hebammen nimmt ab, oft gibt es lange Wartezeiten.

Wo es hapert, zeigt die „Karte der Unterversorgung“, die die Hebammenverbände ins Internet gestellt haben und die täglich aktualisiert wird. Die größten Probleme gibt es bei der Geburts-Nachsorge. Im niedersächsischen Oldenburg hilft seit Sommer 2016 die Hebammenzentrale unter dem Dach des Sozialdienstes katholischer Frauen bei der Suche. Hebamme Astrid Kruid, die das Telefon der Zentrale betreut, wünscht sich, dass das Modell Schule macht. Die Stadt Oldenburg unterstützt die Arbeit mit 50.000 Euro im Jahr, von denen ein großer Teil als Zuschuss an die Hebammen geht. „Die Stadt will den Freiberuflerinnen helfen und das wichtige Nachsorge-Angebot erhalten“, sagt Ruth Hörnis vom Sozialdienst katholischer Frauen.

Bei der Nachsorge – der Wochenbettbetreuung – geht es teils um Daten zur Entwicklung des Kindes: Wächst es, trinkt es genug, entwickelt es sich zeitgerecht? In der Regel kommt dazu eine Hebamme ins Haus, angesichts des Mangels aber klappt das nicht immer. So sind in manchen Städten Hebammen-Ambulanzen als Anlaufstelle für die Wöchnerinnen entstanden. Vitalzeichenkontrolle und Gebärmutteruntersuchung funktionieren dort mindestens so gut wie im heimischen Schlafzimmer, „und rein wirtschaftlich rechnet es sich, weil wir mehr Frauen durchschleusen können“, so Betram.

Fachlich aber hat sie Vorbehalte: Gerade um zu sehen, wie die Eltern mit dem Neugeborenen umgehen oder ob Fehler gemacht werden, die sich im frühen Stadium noch ausmerzen lassen, sei es wichtig, die Familien zu Hause aufzusuchen. Und: „Nicht ohne Grund heißt es Wochen-Bett. Heute wird den Frauen suggeriert, sie könnten sofort nach der Geburt wieder voll loslegen. Aber Mutter und Kind brauchen die Ruhephase.“ Kruid sieht es ebenso: „Körperlich wie emotional müssen die Frauen sich an das Leben mit Kind gewöhnen. Dabei hilft die Hebamme.“ Dennoch, das betonen beide: Bevor es gar keine Nachsorge gibt, sollte eine Frau die Ambulanz aufsuchen.

Hebammenmangel in Niedersachsen

Auf rund 30 Prozentbeziffert der Hebammenverband in ganz Niedersachsen den Mangel an Hebammen.

Vor allem mit Blick in die Zukunft verschärft sich das Problem noch mehr: In dem Beruf herrscht eine deutliche Überalterung.

Rund 25 Prozentaller Hebammen werden in den kommenden acht Jahren in Rente gehen.

Gleichzeitig steigt auch in Niedersachsen in den vergangenen Jahren die Geburtenrate wieder kontinuierlich: 75.000 Babys wurden 2016 geboren.

Ein besonderer Fall sind Familienhebammen. Sie haben eine Zusatzausbildung absolviert und besuchen Eltern, die bei der Babybetreuung besonders viel Hilfe brauchen. Teils wird das durch Ärzte oder Jugendamt angeordnet, teils bitten Eltern selbst um Unterstützung. Es geht um Hilfe, nicht um Kontrolle: „Einigen Frauen muss man eben mehr als einmal zeigen, wie sie ihr Baby halten oder es stillen sollen“, nennt Bertram ein Beispiel.

Für die Geburt selbst gibt es in der Regel ausreichend Hilfe: Schließlich gebären die meisten Frauen heute in Kliniken, wo rund um die Uhr Teams aus Ärzten und Hebammen bereitstehen. Bertram sieht das kritisch: „Statt die Geburt zu leiten, assistieren die Kolleginnen dem Arzt. So geht Fachwissen verloren.“ Die Folge: Es werden immer mehr Geräte und Medikamente eingesetzt, die Zahl der Kaiserschnitte wächst. „Komisch, dass die Frauen heute alle so krank sind, dass sie nicht natürlich gebären können“, sagt Bertram ironisch.

Gespannt sind die Hebammen auf ihre neuen Kolleginnen aus Lübeck: Den uralten Beruf der Geburtshelferin kann man dort an im neu gegründeten Studiengang Hebammenwissenschaft erlernen. Das Ziel ist, die Ausbildung attraktiver zu machen. Mehr Hebammen – mehr Hilfe für Schwangere.

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