Offener Brief an die Berlinale: Roter Teppich für Rechtsextreme
Filmemacher:innen protestieren mit einem offenen Brief gegen die Berlinale. Die Leitung versteckt sich hinter Formalitäten und verweist auf den Senat.
Nur wenige Tage vor der Eröffnung der Berlinale am 15. Februar ist die Empörung über die Gästeliste der Filmfestspiele groß: Auf der stehen nämlich auch Politiker:innen der rechtsextremen AfD. Besucher:innen aus aller Welt, queere und feministische Filme, roter Teppich, ganz viel Glamour – und mittendrin Rechtsextreme, wie passt das zusammen?
Gar nicht, finden 500 nationale und internationale Filmemacher:innen, die sich in einem offenen Brief gegen die Einladung von AfD-Vertreter:innen aussprachen und über den zuerst das US-Magazin Deadline berichtete. Mariette Rissenbeek, Nochleiterin der Berlinale, äußerte sich daraufhin mit einem Statement auf Instagram, in dem sie betont, dass die Berlinale für einen „basic democratic standard“ stehen würde.
Doch was bedeutet das eigentlich? Darauf wollte die Pressestelle auf taz-Anfrage nicht eingehen. Ebenso wenig auf die Frage, ob die AfD-Politiker:innen nach der öffentlichen Empörung nun ausgeladen werden. Wie eine interne Quelle der taz berichtete, wurden insgesamt fünf Politiker:innen von der AfD eingeladen. Zwei hätten bereits zugesagt, zwei abgesagt und eine Antwort stehe noch aus.
Dass es überhaupt dazu kommen konnte, begründet Berlinale-Leiterin Rissenbeek mit dem üblichen Prozedere, laut dem neben dem Bundesbeauftragten für Kultur und Medien auch der Berliner Senat Einladungen erhalten würden, „die auf die gewählten Mitglieder aller Parteien im Abgeordnetenhaus verteilt werden“. Und die AfD sei nun mal sowohl in den Bundestag als auch in das Abgeordnetenhaus gewählt worden.
AfD-Politiker:innen einladen, aber nicht die eigenen Mitarbeiter:innen?
Jedoch sollte die Entscheidung, wer genau eingeladen wird, bei der Berlinale liegen. „Die Vorgabe ist, dass ein gewisser Prozentsatz eingeladen werden muss. Aber welche Parteien eingeladen werden, das glaube ich, kann solch eine Institution selbst entscheiden, oder nicht?“, sagt ein:e Mitarbeiter:in der Berlinale, die anonym bleiben möchte, der taz. Die Einladung der AfD sei falsch: „Große Institutionen wie die Berlinale müssen den Schutz von Menschen, die von Rassismus, Sexismus und so weiter betroffen sind, gewähren.“
Die Mitarbeiter:innen der Berlinale seien schockiert gewesen, der offene Brief daraufhin in ihren Reihen entstanden. Was ist das für eine Institution, die zu ihrer Eröffnungsfeier AfD-Politiker:innen einlädt, aber nicht die eigenen Mitarbeiter:innen?, fragen sich viele. Zumal die Positionierung einer Institution wie der Berlinale, die seit 1951 ein internationaler Treffpunkt für die Film- und Kulturbranche ist, durchaus Gewicht hätte.
Hunderttausende Menschen gehen seit Wochen auf die Straße und demonstrieren gegen rechts. „Nie wieder ist jetzt“, ist einer der Slogans, aber wiederholt sich die Geschichte nicht schon? Auch damals wurden faschistische Gesetze umgesetzt und es wurde sich auf bestehende Regeln berufen.
Auch die Berlinale hält sich nun an die Regeln. Das muss nicht so sein, findet die Mitarbeiter:in der Berlinale: „Die Gesetze sind durchlässig für Faschismus. Eine international anerkannte Kulturveranstaltung wie die Berlinale muss Stellung nehmen“, findet sie.
Die AfD-Politikerin Kristin Brinker will trotz Proteste an der Eröffnung der Berlinale teilnehmen
Laut der Berliner Senatskanzlei wurden auch in den vorherigen Jahren AfD-Politiker:innen eingeladen. Die Einladungen seien aber über die Berlinale erfolgt, nicht über den Senat. „Das Protokoll der Senatskanzlei hat nach den oben genannten Kriterien lediglich einem Verteiler zugearbeitet, der dem Gleichheitsgrundsatz entspricht“, so die Sprecherin der Senatskanzlei zur taz.
Jens Meurer ist Geschäftsführer der Egoli Tossell Pictures, Regisseur und Produzent und hat mehr als 30 Jahre Erfahrung in der Branche – und auch eben auf der Berlinale. Er kennt das Filmfestspiel gut. Die Berlinale sei in der Auswahl der Filme immer sehr politisch gewesen, sagt er zur taz. Meurer sieht die Lösung jedoch nicht darin, die AfD-Politiker:innen auszuladen: „Jeder sollte eingeladen werden, um zusammen Kunstfreiheit zu genießen und tolle Filme anzuschauen. Ein Safe Space für Demokratie sollte die Berlinale werden.“
Laut Berliner Zeitung will die AfD-Politikerin Kristin Brinker an der Eröffnung der Berlinale teilnehmen. Jens Meurer freut sich darauf: „Wenn Frau Brinker kommt, dann komme ich erst recht.“ Er schlägt vor: „Wäre ich die Berlinale, würde ich nicht nur die beiden AfD-Leute herzlich einladen, sondern auch noch mindestens 50.000 Berliner Filmfans. Um der Welt zu zeigen, wo Berlin steht, in Sachen Offenheit und Demokratie. Das wären mal Berlinale-Bilder, die wirklich um die Welt gingen!“
Was die AfD überhaupt auf der Berlinale zu suchen hat, fragen sich viele Filmemacher:innen, denn die AfD würde gegen alles sein, wo für die Berlinale steht: Weltoffenheit, Feminismus und queere Filme. Wenn die AfD zur Eröffnungsfeier kommt, dann ist das nichts anderes als eine Machtdemonstration der AfD, meint die Berlinale-Mitarbeiter:in. „Das Statement der Berlinale ist keine Positionierung gegen rechts. Angesichts der Bedrohung durch rechts muss man antirassistisch sein, und das bedeutet auch, Rechten gegenüber Grenzen zu setzen.“ Die Verantwortung würde nicht beim Senat liegen oder bei der BKM, sondern ganz allein bei der Berlinale-Leitung. „Die klare Mehrheit von uns Berlinale-Mitarbeiter:innen fordert eine sofortige Ausladung von diesen rechtsextremen Politiker:innen.“
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