Ausblick auf die Berlinale: Viel Dialog, wenige Stars
Auch für die 74. Berlinale wird der Krieg in Nahost ein beherrschendes Thema werden. Im Wettbewerb gehen 20 Filme ins Rennen für den Goldenen Bären.
Für ihre letzte Ausgabe der Berlinale wirkte das scheidende Leitungsduo, Mariëtte Rissenbeek und Carlo Chatrian, am Montag im Berliner Haus der Kulturen der Welt ziemlich gelassen. So ganz freiwillig hatte sich der künstlerische Leiter Chatrian zwar nicht entschieden, aus dem Filmfestival auszusteigen, doch jetzt dominierte der Stolz auf das in den fünf Jahren der Laufzeit ihrer Verträge Erreichte.
Auch auf das Programm des kommenden Wettbewerbs sei er stolz, so Chatrian, in dem Filme aus Deutschland ebenso häufig vertreten sein werden wie Filme aus Afrika, je dreimal. Ein gutes Viertel mithin, insgesamt 20 Filme gehen ins Rennen für den Goldenen Bären.
Als bekanntester Name ist darunter der französische Regisseur Olivier Assayas mit dem Spielfilm „Hors du temps“, ein weiterer bekannter Kollege, ebenfalls aus Frankreich, ist der eigenwillige Bruno Dumont, der mit „L’empire“ eine Komödie beisteuert. Für deutsche Zuschauer zumindest gehört Andreas Dresen zu den vertrauten Kandidaten, sein „In Liebe, Eure Hilde“ erzählt vom Schicksal von Hilde Coppi, die sich zur NS-Zeit der Widerstandsgruppe „Rote Kapelle“ anschloss.
Der übrige Wettbewerb wird weniger von Stars bestimmt, sondern spricht eher ein cineastisch bewandertes Publikum an. So ist auch dieses Jahr der große südkoreanische Regisseur Hong Sangsoo zu Besuch, zum zweiten Mal mit Isabelle Huppert als Hauptdarstellerin, und zehn Jahre nach seinem großen Erfolg „Timbuktu“ gibt es mit „Black Tea“ Neues vom mauretanischen Regisseur Abderrahmane Sissako.
Themen der Dokumentarfilme
An Dokumentarfilmern wäre Victor Kossakovsky zu nennen, der sich in „Architecton“ dem Zement als Baustoff widmet, und die Regisseurin Mati Diop, die sich in „Dahomey“ mit der Rückgabe der Schätze des Königreichs Dahomey an Benin beschäftigt.
Andere Ankündigungen machen allemal neugierig, etwa „Shambala“, mit dem die Berlinale zum ersten Mal einen nepalesischen Film in den Wettbewerb eingeladen hat, oder der dominikanische Film „Pepe“ von Nelson Carlo De Los Santos Arias, in dem ein totes Nilpferd der Protagonist ist.
Dass die Berlinale schon längst auch im Zeichen des Nahostkonflikts steht, wurde auf der Pressekonferenz gleichfalls deutlich. So gaben Rissenbeek und Chatrian zu Beginn der Konferenz zunächst eine Erklärung zum Selbstverständnis des Festivals ab. Sie bezeichneten Filmfestivals im Allgemeinen als „Orte der Begegnung und des Austauschs“, die „einen wichtigen Beitrag zur internationalen Verständigung“ leisten, und wollten die Berlinale im Besonderen als Plattform für friedlichen Dialog verstanden wissen.
Verständnis in alle Richtungen
So wird es eigens für den Nahostkonflikt ein „Tiny House“ geben, das, von einem israelisch-palästinensischen Team betrieben, Raum für Dialog über den Krieg in Gaza geben soll. Insgesamt warben Rissenbeek und Chatrian in alle Richtungen für Verständnis, sagten, dass ihr „Mitgefühl allen Opfern der humanitären Krisen in Nahost und darüber hinaus“ gelte, und zeigten sich besorgt über den sich ausbreitenden Antisemitismus und antimuslimische Ressentiments.
Vom Boykottaufruf „Strike Germany“, der sich gegen kulturelle Veranstaltungen in Deutschland richtet, scheint das Festival dabei weitgehend verschont geblieben zu sein. Auf Nachfrage räumte Chatrian ein, dass ihm lediglich zwei Fälle aus der künstlerisch sehr freien Sektion „Forum Expanded“ bekannt seien, in denen Filmemacher ihre Beiträge zurückgezogen hätten oder überlegt hätten, das zu tun. Bei insgesamt 233 Filmen eine eigentlich beruhigende Quote.
Leser*innenkommentare
DiMa
"Viel Dialog, wenig Stars". Für einen großen Phönix scheint es viel Asche zu brauchen. Zum Schluss wird die Berlinale also weiter runtergerockt.