AfD-Politiker auf der Berlinale: Doch keine rechtsextreme Eröffnung

Nach Kritik hat die Berlinale-Leitung entschieden, die AfD wieder von der Gästeliste zu streichen. Eine schriftliche Ausladung soll folgen.

Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian halten ein Triko mit der Aufschrift Berlinale in die Kamera.

Das Berlinale Leitungs-Duo hat die AfD-Mitglieder wieder ausgeladen. Ob die Berlinale weiterhin ruhig verläuft bleibt offen Foto: dpa | Jens Kalaene

BERLIN taz | Bei der Eröffnungsgala zur 74. Berlinale am kommenden Donnerstag werden nun doch keine AfD-Politiker:innen anwesend sein. Nach tagelanger Debatte haben die Berlinale-Lei­te­r:innen Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian am Donnerstagabend bekanntgegeben, dass die 5 rechtsextremen Po­li­ti­ke­r:in­nen schriftlich wieder ausgeladen werden sollen.

Die Rolle rückwärts des Leitungsduos kommt freilich spät – und erst nach harter Kritik an ihrer laxen Türpolitik. Noch vor gut einer Woche argumentierten Rissenbeek und Chatrian sinngemäß, dass es nun mal Protokolle gebe, an die man sich halten müsse. Und dazu gehört auch, AfD-Politiker:innen auf die Gästeliste zu setzen, darunter Landeschefin Kristin Brinker. Die wurden schließlich in das Abgeordnetenhaus gewählt.

Viele in der Filmbranche empfanden die Argumentation als maximal unzureichend. So kommentierte die Regisseurin Anika Decker auf Instagram: „Ich, als deutsche, weibliche Regisseurin kriege keine Einladung. Aber dafür die AfD. Wow.“ Lawrence Lek war einer der ersten Filmemacher, der auf Social Media bekannt gab, nicht mehr als Berlinale-Talent an den Filmfestspielen teilnehmen zu wollen. Seine Begründung: „Die AfD ist eine nationalistische, antisemitische, islamfeindliche und einwanderungsfeindliche Partei, die den Klimawandel leugnet, und ich kann mir nicht vorstellen, mit ihnen denselben Raum zu teilen.“

Viele Kol­le­gen:­in­nen Leks, aber auch Berlinale-Mitarbeiter:innen forderten die sofortige Ausladung der 5 AfDle­r:in­nen. Rund 500 Künst­le­r:in­nen unterschrieben einen offenen Brief. Zur Wahrheit gehört laut Senatskanzlei, dass AfD-Politiker:innen auch in den Vorjahren zur Berlinale-Eröffnung eingeladen wurden.

Das haben wir immer schon so gemacht

Die Senatskanzlei argumentiert dabei mit „protokollarischen Gepflogenheiten“. So heißt es: „Bei Veranstaltungen, die mit öffentlichen Geldern unterstützt werden, wird das Parlament als Haushaltsgesetzgeber stets mit eingeladen.“ Und: „Dies ist eine langjährige und geübte Praxis.“ Auch seien die Einladungen über das Protokoll der Berlinale erfolgt und nicht über die Senatskanzlei.

Dass Protokolle auch verändert werden können, hat eine andere Institution mehr als einmal bewiesen: das englische Königshaus. Langjährige und geübte Praxen und Traditionen muss man eben der Zeit anpassen. Dies trifft in diesem Fall auch auf die Berlinale als einem weltoffenen, queeren und feministischen Filmfestival zu. Mit einer Anpassung des Protokolls hätte die Berlinale ein politisches Zeichen gegen Rechtsextremismus setzen können.

Ob die Berlinale rechtlich oder protokollarisch dazu verpflichtet ist, rechtsextreme Po­li­ti­ke­r:in­nen einzuladen, könne sie nicht beurteilen, sagt Gollaleh Ahmadi, die Sprecherin für Sicherheitspolitik, Medien und Datenschutz der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, zur taz. Aber, so Ahmadi weiter: „Die Einladungen wurden erst nach den Correctiv-Enthüllungen verschickt, und ich bin der Meinung, dass spätestens danach eine Überprüfung der Gästeliste notwendig gewesen wäre – denn die Frage ist ja durchaus berechtigt, ob diese Personen überhaupt eingeladen werden sollten.“

Dass AfD-Politiker:innen auf der Eröffnungsfeier der letzten Jahre anwesend waren, kann Ahmadi bestätigen. Es sei unangenehm, einen Raum mit Rechtsextremen teilen zu müssen, sagt die Grünen-Politikerin: „Ich selbst habe mich in den letzten Jahren in Anwesenheit der AfD sehr unwohl gefühlt und ich werde mich auch dieses Jahr unwohl fühlen. Man muss sich doch auch fragen: Warum kommen die überhaupt? Was führen Leute im Schilde, die zur Berlinale gehen, obwohl sie freie Kunst und Medien ablehnen und abschaffen wollen?“

„Ganz Berlin hasst die AfD“, lautet ein auf Demonstrationen gegen die Rechtsaußenpartei immer wieder skandierter Ruf. Klar scheint andererseits: Die AfD hasst freie Kunst und Medien. Und im Grunde auch Institutionen wie die Berlinale. Über Jahre hinweg hat sich das Filmfestival als ein Safe Space für Demokratie etabliert, politisch Verfolgte internationale Künst­le­r:in­nen haben hier eine Plattform gefunden, um ihre Kunst frei zeigen zu können. Die Berlinale steht für alles, was die AfD verwerflich findet.

Die Kehrtwende: AfD Po­li­ti­ke­r:in­nen sollen ausgeladen werden

Eines der Ziele der Partei ist ihrem Programm zufolge auch der Austritt aus der europäischen Kulturförderung Media. Was bedeuten würde, dass viele internationale Koproduktionen gar nicht mehr zustande kommen würden. Auch Gollaleh Ahmadi sieht das so: „Falls die AfD an die Macht kommen sollte, dann wird die Berlinale nicht mehr das Festival sein, das wir kannten. Die AfD ist ein Feind der freien Medien und der freien Kunst. All das würde verschwinden.“

Ähnlich sieht das der Fernseh- und Radiomoderator Nilz Bokelberg, der auf das erste Statement der Berlinale-Leiter:innen auf Social Media mit den Worten reagierte: „Witzig. Euch würden sie vermutlich als erstes die Förderung streichen, wenn sie an die Macht kämen. Aber dafür habt ihr sie vorher auf den roten Teppich eingeladen, weil man das halt so macht. Genial.“

Knapp 7 Tage später nun also die Kehrtwende. In ihrem Statement von Donnerstagabend schreiben Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian: „Menschen – auch gewählte Vertreter –, die gegen demokratische Werte handeln, sind auf der Berlinale nicht willkommen. Das werden wir in einem persönlichen Brief an die AfD-Vertreter und bei anderen Gelegenheiten deutlich und nachdrücklich zum Ausdruck bringen.“

Die Enttäuschung in der Branche bleibt dessen ungeachtet groß. Wer Rechtsextreme einlädt, hat kein Verständnis für freie Kunst und Demokratie, so mehrere Fil­me­ma­che­r:in­nen gegenüber der taz. Hinzu kommt: Ob der Ankündigung der Berlinale-Leitung bis zum 15. Februar auch tatsächlich eine Ausladung folgt, bleibt eine Überraschung.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.