Offene Haftbefehle gegen Neonazis: 568 Rechtsextreme gesucht
Die Zahl offener Haftbefehle gegen Neonazis bleibt hoch. Laut Innenministerium ermitteln Behörden „mit Nachdruck“, die Linkspartei sieht das anders.
Ein halbes Jahr zuvor lag die Zahl der gesuchten Rechtsextremen noch bei 596, vor einem Jahr bei 602. Vor zehn Jahren indes gab es nur 266 offene Haftbefehle. Die Fälle sind brisant, weil sie an das Kerntrio des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ erinnern, das 1998 abtauchte und zehn Menschen erschoss.
Das Innenministerium aber betont, dass die Polizeien zwischen September 2021 und März 2022 insgesamt 398 Haftbefehle vollstreckten oder diese sich anderweitig erledigt hätten, etwa durch Zahlungen von Geldstrafen. Dies zeige, dass die Polizei die Fahndungen „mit Nachdruck und erfolgreich durchführt“. Durch das „fortlaufende Kriminalitätsgeschehen“ seien allerdings neue Haftbefehle hinzu gekommen. 171 waren es allein in diesem Jahr.
Etliche der 568 Neonazis wurden wegen mehrerer Delikte gesucht, weshalb insgesamt 752 Haftbefehle offen waren. 28 davon wurden wegen politisch motivierter Gewaltdelikte verhängt. 121 erfolgten wegen anderer rechter Delikte wie Volksverhetzungen. Die restlichen Haftbefehle wurden wegen Allgemeinkriminalität wie Diebstahl und Betrug verhängt.
Mehr als 100 Haftbefehle schon seit Jahren offen
Einer der Gesuchten ist bereits seit 2013 verschwunden. 105 haben seit mindestens drei Jahren offene Haftbefehle. Von 79 Rechtsextremen gibt es Hinweise, dass sie sich im Ausland aufhalten. So sollen etwa 12 in Polen sein, je 8 in Österreich oder Rumänien, sieben in der Schweiz und je einer gar in der Ukraine, in Paraguay oder Somalia. Das Innenministerium geht davon aus, dass viele der Rechtsextremen nicht bewusst abtauchten, sondern sich nach Umzügen schlicht nicht ummeldeten.
Heikel aber ist, dass laut Ministeriumsangaben 76 der Gesuchten in der Vergangenheit ihren Wehrdienst bei der Bundeswehr leisteten – also im Umgang mit Waffen geübt sind. Zuletzt soll niemand mehr bei der Armee gewesen sein. Einer der Verschwundenen ist zudem als Gefährder eingestuft, dem die Polizei schwere Straftaten bis zu Anschlägen zutraut.
Linke fordert „deutlich intensiveres Vorgehen“
Die Linken-Innenexpertin Martina Renner, die die Anfrage stellte, kritisierte: „Die Anzahl der offenen Haftbefehle ist nach wie vor zu hoch.“ Und die Zahl der gesuchten ehemaligen Wehrdienstleistenden bestätige „die Eindrücke der letzten Jahre, dass die Bundeswehr ein großes Rechtsextremismusproblem hat“. Renner fordert „ein deutlich intensiveres Vorgehen“ gegen die gesuchten Neonazis, auch und gerade wenn diese sich im Ausland aufhalten.
Das Innenministerium dagegen beteuert, dass „in allen Fällen polizeiliche Fahndungsmaßnahmen initiiert“ wurden. Die Rechtsextremisten seien in nationalen, teils auch internationalen Fahndungssystemen gespeichert. Und diejenigen, die wegen Gewaltdelikten gesucht wurden, seien im Gemeinsamen Extremismus- und Terrorismuszentrum (GETZ) besprochen worden. Dies habe „positive Auswirkungen auf die Fahndungsmaßnahmen“ gehabt.
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