Österreich und die Burka: Mummenschanz und Haifischmann
Seit dem 1. Oktober ist das Verhüllen in der Öffentlichkeit in Österreich verboten. Ein Geschäftsmann will die Strafen für die Frauen zahlen.
![Protestaktion gegen das Vermummungsverbot in Wien Protestaktion gegen das Vermummungsverbot in Wien](https://taz.de/picture/2317392/14/19328200.jpeg)
Es handelt sich um keinen Sado-Maso-Auftritt. Nekkaz hat sich angeboten, für alle Frauen, die in Österreich verschleiert gegen das Gesetz verstoßen, die Strafe zu übernehmen. Seit dem 1. Oktober gilt in Österreich ein Gesetz, das Verhüllung im öffentlichen Raum verbietet. Von der Burka bis zur Clownsmaske und dem Atemschutz. Sebastian Kurz hat das durchgesetzt, um dem Islamismus entgegenzutreten.
Nekkaz hat mit der rechten Hand ein Handy auf sich gerichtet, um die Ereignisse live zu streamen. Er beginnt auf Französisch, sein Anliegen vorzutragen. Um die individuelle Freiheit gehe es ihm. Auf Drängen der Journalisten setzt er in holprigem Englisch fort: „I am very happy to be in Vienna to show that there are civil rights“.
300.000 Euro habe er in anderen Ländern bereits bezahlt, hat er vorher einer Boulevardzeitung zu Protokoll gegeben: „Zwei, drei vier Millionen sind aber für mich auch kein Problem“. Frauen, die an französischen Stränden mit Burkinis aufgegriffen wurden und Verschleierte in Belgien haben von den Spendierhosen des Philanthropen profitiert. Das Gesetz wolle er respektieren – und zahlen. Für Verschleierte in Banken, Schulen, Einkaufszentren wolle er sich aber nicht einsetzen: „Da bin ich aus Sicherheitsgründen für ein Verbot“. Aber auf der Straße dürfe man „einer Frau die Kleidung ihrer Wahl nicht verbieten“.
Bei Kälte ist ein Schal erlaubt. Aber wann beginnt Kälte?
Österreichs Polizei zeigt sich von dem neuen Gesetz überfordert. Journalistinnen von Tageszeitungen, die im Niqab die Probe aufs Exempel machen wollten, entkamen ohne Bussgeld, ernteten aber böse Blicke und Beschimpfungen von Passanten. Laut Polizei gibt es bisher eine Handvoll Anzeigen. Aber nicht Burkas und Niqabs sind es, die den Polizisten Probleme bereiten. Drei Musiker, die täglich vor dem Museumsviertel aufspielen, wurden verwarnt. Solange sie spielen, dürfen sie maskiert bleiben – „künstlerische Darbietung“. Sie dürfen sich aber nicht „als Pferde“ von ihrem Platz entfernen.
Schlagzeilen machte ein Student im Haifischkostum, der für einen neuen McShark-Store warb. Nach einer Anzeige von Passanten musste die Polizei einschreiten und erzwang die Abnahme der Maske. Strafe muss er wahrscheinlich nicht zahlen, wenn er nachweisen kann, dass er im Auftrag eines Arbeitgebers aufgetreten ist. Unterschiedlich verfuhren Polizisten mit Radfahrern, die ihre Mundpartie gegen den kalten Wind mit einem Schal verhüllten. Bei Kälte ist das laut Gesetz erlaubt. Aber wann Kälte beginnt, hat der Gesetzgeber zu definieren versäumt.
Manfred Reinthaler von der Polizeidirektion Wien spricht von „gewissen unklaren Situationen, Graubereichen, die noch einer Auslegung bedürfen“. Die Wiener Polizei macht sich jetzt daran, „mögliche Sachverhalte“ anhand bisher aufgetauchter Vorfälle aufzulisten, um sie rechtlich einzuschätzen. Eine Liste von rund zwanzig Beispielen soll den Polizisten im Außendienst als Orientierungshilfe dienen. Maskottchen wie der Polizeibär, aber auch Weihnachtsmänner, sollen jedenfalls toleriert werden.
Rachid Nekkaz wurde zwar nicht von Sebastian Kurz persönlich bestraft, doch die Polizei wurde vorstellig und nahm ihn auf die Wache mit. Wenig später kam er mit einem Strafzettel über fünfzig Euro zurück – unverhüllt. Kommende Woche will er wieder maskiert auftreten.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche