Österreich lockert Datenschutz: Wien tanzt aus der Reihe
Der Nationalrat beschließt weitgehende Straffreiheit für die Datenweitergabe. Und Konzerne sollen auf vertrauliche Gesundheitsinfos zugreifen dürfen.
Für Aufregung bei Datenschützern und Ärztekammer sorgt längst ein weiterer Wiener Plan: das Datenschutzanpassungsgesetz für Wissenschaft und Forschung. Der Entwurf sieht vor, dass Forschungseinrichtungen Zugang zu bestimmten Datenbanken bekommen sollen, darunter ausdrücklich auch zur Elektronischen Gesundheitsakte (Elga), die als besonders missbrauchssicher beworben worden war.
Neben Universitäten, Museen und wissenschaftlichen Instituten sollen auch Forschungsabteilungen von Konzernen mit den vertraulichen Daten arbeiten dürfen. Der Entwurf der konservativen ÖVP-FPÖ-Koalition sieht vor, dass Klarnamen durch eine Kennzahl ersetzt werden, die die namentliche Zuordnung der Patientendaten verhindert.
Im illegalen Handel teurer als Kreditkartendaten
Für Thomas Szekeres, den Präsidenten der österreichischen Ärztekammer, ist das nicht genug. „Nicht nur, dass diese Daten bei Bekanntwerden über die Frage – Bekomme ich den Job oder nicht? – entscheiden können, sie werden im illegalen Handel sogar weit teurer verkauft als Kreditkartendaten“, so Szekeres zur Tageszeitung Die Presse. Er nennt beispielhaft Depressionen, chronische Erkrankungen, HIV, Krebs oder Implantate, die in der Elga vermerkt sind. Die Ärztekammer, die jahrelang Widerstand gegen die Einführung der Datei geleistet hat, sieht sich nun in ihrem Misstrauen bestätigt.
Worum geht’s?
Ab dem 25. Mai gilt ein neues Regelwerk, das den Schutz der Daten der EU-Bürger verbessert. Grundlage für die Datenschutzgrundverordnung – kurz DSGVO – waren Richtlinien von 1995.
Was bringt’s?
Der Datenhandel wird deutlich eingeschränkt. Wer gegen das Regelwerk verstößt, dem drohen hohe Geldstrafen. Die Bußgelder können bis zu vier Prozent des Unternehmensumsatzes betragen.
Bis zum Stichtag berichten wir in loser Folge über Vorteile und Lücken der EU-Datenschutzgrundverordnung.
Auch Thomas Lohninger, Direktor der Datenschutzorganisation epicenter.works warnt vor Missbrauch. Die durch den Facebook-Skandal bekannte Datenanalysefirma Cambridge Analytica sei als Forschungsinstitut aufgetreten. „Hochsensible Gesundheitsdaten für globale Marktforschungszwecke zu öffnen, ist eine ganz schlechte Idee. Die Cambridge Analyticas dieser Welt können einzelne Personen leicht in den mangelhaft anonymisierten Daten wiederfinden“, sagt der Datenschützer.
Die Regierung rechtfertigt die großzügige Regelung mit der Absicht, den Forschungsstandort zu stärken. Es gehe um eine Verbesserung der Datenqualität, damit die Wissenschaft wettbewerbsfähig bleibe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient