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Ösi-Popalbum „Soiz“ von Anna BucheggerMit Hackbrett pfeffern, mit Stimme salzen

Die Künstlerin Anna Buchegger widmet sich auf ihrem Album „Soiz“ kreativ dem Erbe der Volksmusik. Ihre Texte kritisieren Themen wie Heimat und Tradition.

Die österreichische Künstlerin Anna Buchegger ironisiert Traditionen Foto: Archiv

Experimentierfreudige Pop-Kompositionen treffen bei Anna Bucheggers zweitem Album „Soiz“ auf alpine Volksmusik und Dialektgesang. Was nach einem Erfolgsrezept für eine künstlerische Katastrophe klingt, wirkt im Ergebnis überraschend cool. Spielerisch und tiefsinnig zugleich befreit die Wiener Sängerin ihr Instrument, das Hackbrett, vom folkloristischen Mief. Zugleich zeigt sie, dass man das Konzept und Gefühl von Heimat nicht komplett abstoßen muss, um Kritik an seinem Missbrauch durch rechtskonservative Kreise zu üben.

Der Werdegang von Anna Buchegger ist kein singuläres Szenario: Sie wächst auf im Salzburger Land zwischen Geranien und Frühschoppen, merkt irgendwann, so richtig passt das alles nicht – zieht in die Stadt und lässt sich ironische Tattoos stechen. Das ist auch meine Geschichte. Trotz aller Irritationen durch konservative Erwartungen, gepaart mit den ohnehin schweren Jahren der Pubertät, bleibt dennoch diese süße Nostalgie an eine unbeschwerte Kindheit und warme Brezeln.

Kaum ein:e Künst­le­r:in schafft es, diesen Zwiespalt zwischen Widerstand und Sehnsucht so auf den Punkt zu bringen wie die 26-jährige Anna Buchegger. Song für Song verknüpft sie ihren vielschichtigen Sound in einer poetischen Auseinandersetzung mit dem zivilgesellschaftlichen Ist-Zustand Österreichs. Dabei setzt sie sich insbesondere mit der weiblichen Perspektive auseinander, die unter den traditionellen Zwängen eine besondere Rolle einnimmt.

„Soiz“ – Salz – wird dabei zur zentralen Metapher: Salz kann konservieren und heilen, aber genauso kann es austrocknen, zerstören. Schon Bucheggers Debütalbum „Windschatten“, veröffentlicht im Frühherbst 2024, markierte für die gebürtige Salzburgerin ein Update von Austropop und eine neue Position innerhalb von deutschsprachigem Dialektpop.

Das Album

Anna Buchegger: „Soiz“ (Annas Label/HHV)

Auch auf dem neuen Album ist traditionelle Volksmusik auf allen Ebenen vernehmbar: Jodeln beim Gesang, Hackbrett als Begleitung, Textwelten über Berge und Täler. Aber kontrastiert mit zeitgenössischen Grooves und scharfzüngigen Reimen. „I bau a Mauer in mein Goat’n / Dass I de Berg neama siag“, singt sie in „Mauer“, benennt explizit die Engstirnigkeit von Mitmenschen und meint damit auch das bequeme Wegsehen und die grassierende Fremdenfeindlichkeit.

Fragen nach Selbstermächtigung

Anna Buchegger versteckt sich nicht hinter der Ligusterhecke. Im Song „Es liegt an dir“ verdichtet sie die Themen Machtmissbrauch und Gewalt an Frauen zu einem immer aggressiveren Schreigesang. „Schutt und Dreck“ handelt vom permanenten Angstzustand, ausgelöst vom Weltgeschehen, und geht gerade wegen der ruhigen und balladesken Klangsprache unter die Haut.

Doch Anna Buchegger widmet sich nicht nur den großen, schweren Themen: In „Wos I nit bin“ und „Draht“ zeichnet sie intime Skizzen zwischenmenschlicher Beziehungen. Und im Titelstück „Soiz“ schlägt die Künstlerin mit treibenden elektronischen Beats und Anleihen beim Amapianosound eine Brücke zu Salzburgs mineralischem Erbe und den eigenen musikalischen Wurzeln. „Soiz auf der Haut reibt oide Wunden auf“ wird hier zur Metapher für Schmerz und Heilung, für Bewahrung und Erneuerung.

Wie ein roter Faden zieht sich die Frage nach Selbstermächtigung, Identität und Zugehörigkeit durch die Musik des Albums. Anna Buchegger zeigt mit ihrem neuen Werk, dass es dabei nie um Nostalgie allein geht, sondern immer auch um Haltung. Gerade in Zeiten, in denen vielen daran gelegen ist, Tradition unbedingt zu konservieren, ist in der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Komplex Heimat eine Weiterentwicklung erlaubt – oder sogar zwingend – erfrischend und wichtig.

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