Ölfund in Brasilien: Freude über Klimakiller
Brasilien will sich beim nächsten Weltklimagipfel als Vorreiter präsentieren. Nun aber feiert es den Fund eines beachtlichen Tiefsee-Ölvorkommens.

BP bezeichnet die Entdeckung im Becken von Santos als den größten Fund der letzten 25 Jahre. Analysten und Medien feiern die Neuigkeit als bahnbrechend für den Konzern. Der brasilianische Minister für Energie und Bergbau zeigt sich begeistert: „Das ist wieder einmal ein Beweis für Brasiliens Vorreiterrolle im Energiesektor.“
Auf der Klimakonferenz COP 30 im November in Belém wollte Brasiliens Präsident Luis Inácio Lula da Silva sich eigentlich in einer anderen Vorreiterrolle präsentieren – in der Klimapolitik. Null Abholzung bis 2030 und eine signifikante Reduzierung des CO₂-Ausstoßes hatte er bei der vorherigen Konferenz angekündigt.
Im April 2025 forderte er gemeinsam mit Uno-Generalsekretär António Guterres bei einer virtuellen Konferenz von 20 Regierungschefs nachdrücklich ambitioniertere Ziele für die Reduktion des CO₂-Ausstoßes. Ziel des Treffens sollte der Aufbau eines neuen Entwicklungsmodells sein – basierend auf wirtschaftlichem Wohlstand, ökologischer Nachhaltigkeit und sozialer Inklusion.
Ölförderung statt Energiewende
Wenige Monate später geriet Lula ins Kreuzfeuer der Kritik, weil er die Versteigerung von Explorationsgebieten im Amazonasbecken gegen heftigen Widerstand von Umweltschützern und Indigenen durchsetzte. Die Bundesstaatsanwaltschaft hatte sogar eine Klage angestrengt, um die Versteigerung auszusetzen, bis aussagekräftige Studien über dessen Folgen für das Klima und benachbarte indigene Völker vorlägen. Ohne Erfolg.
„Brasilien sollte sich lieber um die Energiewende kümmern“, kommentierte damals Nicole Oliveira von der Umweltschutz-NGO Arayara und wies darauf hin, dass das brasilianische Ministerium für Bergbau und Energie das Thema nicht einmal auf der Agenda stehen habe.
Mitten in der Klimakrise fährt Lula eine Strategie, die den weltweiten Anstrengungen zum Verzicht auf fossile Brennstoffe entgegenläuft. In drei Monaten trifft sich die Welt zum ersten Mal seit Rio 1992 auf einer Klimakonferenz in Brasilien, die vielen als letzte Chance gilt, die Erderwärmung wenigstens auf 2,5 bis 3 Grad zu beschränken. Da wirkt es nahezu sarkastisch, wenn das Land mit dem weltweit größten tropischen Regenwald die Tatsache feiert, dass der britische Konzern – anstatt sich wie zuvor angekündigt erneuerbaren Energien zuzuwenden – zu den fossilen Klimakillern Öl- und Gas zurückkehrt.
78,8 Prozent der brasilianischen Ölförderungen stammen aus Tiefsee-Vorkommen. Das „Pré-Sal“ genannte größte Gebiet wurde 2006 vor der Südküste unter dem Meeresboden entdeckt. Es erstreckt sich über 150 Quadratkilometer und katapultierte das Land seitdem auf den ersten Platz der ölfördernden Länder Lateinamerikas und weltweit unter die Top Ten.
Bedrohte Meeresfauna
Die dort von der Umweltschutzbehörde Ibama erteilten Fördergenehmigungen werden jetzt in einem unter anderen von der Forschungsstiftung Osvaldo Cruz Foundation aufgelegten „Bericht über Verluste und Schäden bei der Öl- und Gasförderung“ als fehlerhaft kritisiert. Wichtige wirtschaftliche und soziale Auswirkungen der Aktivität seien nicht berücksichtigt worden. Die Santos-Bucht beherbergt laut WWF die größte Vielfalt bedrohter Meeresfauna in ganz Brasilien und es sind dort 130 Schutzgebiete im Wasser und an Land ausgewiesen.
Die Aktie der BP ist seit dem Fund umgehend gestiegen, obwohl nicht klar ist, wie viel Öl, Gas und CO₂ wirklich im Bumerang-Block in mehr als 2300 Metern Tiefe verborgen liegen und ob deren Förderung wirtschaftlich wäre. Es gibt in der Santos-Bucht andere bedeutende Vorkommen, die nie erschlossen wurden, weil sie eine zu hohe CO₂-Konzentration aufweisen.
Die Erdölförderung in Brasilien wächst weiter. Laut der staatlichen Erdölagentur ANP wurden im Juli 2025 mit 3,7 Millionen Barrel zehn Prozent mehr Öl gefördert als im Vorjahr.
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