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Öl-Sanktionen gegen RusslandTrump trifft Putins Kriegsökonomie am verwundbarsten Punkt

Der US-Präsident hat die größten russischen Ölkonzerne auf die Sanktionsliste gesetzt. Mindestens ein Drittel der russischen Ölexporte ist gefährdet.

Über die Pipeline "Freundschaft" wird die PCK-Raffinerie mit Rohöl aus Russland versorgt Foto: Jochen Eckel/picture alliance

taz | Ein halbes Jahr Zeit hat US-Präsident Donald Trump der deutschen Bundesregierung eingeräumt, ihr Problem mit dem russischen Ölkonzern Rosneft zu lösen. Und das ist ein großes Problem: Insgesamt ist der bisher zweitgrößte Ölkonzern der Welt an 12 Prozent der Versorgung Deutschlands mit Benzin, Diesel, Kerosin und Heizöl beteiligt.

Rosneft Deutschland besitzt die Mehrheit an der Raffinerie PCK im brandenburgischen Schwedt sowie Minderheitsbeteiligungen an Deutschlands größter Raffinerie, MiRo in Karlsruhe, und dem größten Ölverarbeiter in Bayern, Bayernoil an der Donau. Der Kreml hat seit September 2022 keinen Zugriff mehr auf die deutsche Tochter des bis dahin von SPD-Mann Gerhard Schröder als Verwaltungsratschef gelenkten Ölriesen. Denn da hatte das von seinerzeit Robert Habeck (Grüne) geleitete Bundeswirtschaftsministerium den deutschen Rosneft-Arm unter treuhänderische Kontrolle der Bundesnetzagentur gestellt – als Konsequenz aus dem russischen Überfall auf die Ukraine. Alle sechs Monate muss diese Anordnung erneuert werden. Anfang September 2025 wurde die Treuhandverwaltung wieder bis 10. März 2026 verlängert.

Ein Sprecher von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) sagte, das Ministerium habe von den zuständigen US-Behörden Zusicherungen erhalten, dass sich die Sanktionen nicht gegen die deutschen Töchter von Rosneft richten sollten. Ein diesbezüglicher „Letter of Comfort“ als Übergangslösung liege seit Dienstagnacht vor. Das Ministerium arbeite gemeinsam mit den US-Behörden an darüber hinausgehenden und rechtssicheren Klarstellungen.

Denn laut der US-Nachrichtenagentur Bloomberg verlangt Trump binnen eines halben Jahres eine endgültige Lösung für Rosneft Deutschland. Wie im Falle der eingefrorenen hunderten Milliarden Euro der russischen Zentralbank in Europa wird auch in Sachen deutsche Rosneft-Töchter laviert.

Der große Ausverkauf

Rosneft und Lukoil, die von Trump in der Nacht zu vorigem Donnerstag mit US-Sanktionen belegten größten russischen Ölfirmen, werden aufgrund der Strafaktion nun selbst massive Verkäufe ausländischer Tochterunternehmen vorantreiben. Denn ab 21. November ist es laut der Ofac, dem Sanktionszentrum des US-Finanzministeriums, Firmen und Banken weltweit untersagt, mit den Töchtern der beiden Unternehmen Geschäfte zu machen. Sonst werden diese Geschäftspartner – wie die russischen Ölkonzerne selbst – von US-Finanzmärkten, der Nutzung des Dollar und allen US-Absatzmärkten ausgeschlossen.

Lukoil hat gerade angekündigt, erste Verkäufe würden vorbereitet. Diese könnten die Energiemärkte in Europa und andernorts ziemlich durcheinanderwirbeln. Denn Lukoil besitzt allein über 2.400 Tankstellen außerhalb Russlands: in Italien, Belgien, den Niederlanden, den USA und einigen Balkanstaaten. Hinzu kommen Raffinerien in Rumänien, Bulgarien und Holland. In Österreich und Finnland produziert Lukoil Schmieröl.

In Aserbaidschan, im Irak und in den Vereinigten Arabischen Emiraten besitzt der Moskauer Konzern Anteile an Öl- und Gasfeldern, in der Schweiz und Dubai seine global tätige Handelsgesellschaft Litasco. Die Tochter Litasco Middle East DMCC war erst Ende 2024 gegründet worden – zur Verschleierung russischer Ölexporte. Lukoil ist auch Anteilseigner der Pipeline CTC von Kasachstan zum Schwarzen Meer – einer wichtigen Leitung zur Versorgung westlicher Länder mit kasachischem statt russischem Rohöl.

Rosnefts größte Auslandsbeteiligung ist ein 49-Prozent-Anteil an Nayara Energy in Indien mit Raffinerie und Tankstellennetz. Das Land ist zu einem wichtigen Spieler geworden seit der russischen Invasion in der Ukraine: Indiens Importe von russischem Rohöl sind von nur 50.000 Barrel pro Tag im Jahr 2020 auf rund 1,8 Millionen Barrel (je 159 Liter) täglich in der ersten Hälfte des Jahres 2025 gestiegen. Sie liegen damit nach China mit 2 Millionen Barrel pro Tag an zweiter Stelle.

Nach Einschätzung von Sergej Wakulenko, ehemaliger russischer Ölmanager und Senior Fellow bei der Carnegie Stiftung, wird Indien wahrscheinlich eher Mengen reduzieren, als ganz aus russischen Ölimporten auszusteigen. Tatsächlich hat Indien bereits ein „Neukalibrieren“ seiner Ölimporte angekündigt. Trumps Sanktionen könnten es jedoch „praktisch unmöglich“ machen, Gelder an die sanktionierten Unternehmen zu zahlen und Bankgeschäfte abzuwickeln, so Wakulenko.

Überlebenslinie Indien

Die Indien-Route ist für Russland, das von seinen 9,8 Millionen Barrel Tagesproduktion 4,5 Millionen Fass exportiert, zur Überlebenslinie geworden. Denn Indien kauft wie die Türkei und Singapur große Mengen russischen Rohöls mit erheblichen Preisabschlägen, die Moskau gewähren muss. Davon wird ein Teil auch in europäische Länder exportiert. Laut Eurostat holte die EU 2024 ein Fünftel ihrer Dieselimporte aus indischen Raffinerien, deren Produktion großteils auf russischem Rohöl beruhte.

In China, Russlands größtem Kunden, haben die staatlichen Ölgesellschaften PetroChina Sinopec, CNOOC und Zhenhua Oil angekündigt, kurzfristig keine russischen Rohöllieferungen per Tanker mehr anzunehmen.

Anhaltender Druck aus den USA könnte den Kreml dazu zwingen, noch höhere Preisnachlässe von bis zu 25 Prozent unter dem Preis der Referenz-Ölsorte Brent anzubieten oder Zwischenhändlern mehr zu zahlen. Das würde die langfristigen Exporterlöse schmälern, sagt Grigorij Sosnowskij, Direktor des Moskauer Unternehmens N1Broker. Sollte die Nachfrage anderswo nicht anziehen, müsste Russland aufgrund begrenzter Lagerkapazitäten die Produktion drosseln, warnt bereits Carnegie-Experte Wakulenko.

Drastischer Druck auf Russlands Haushalt

Russlands Regierung hatte schon kurz vor Trumps Sanktionen die erwarteten Öl- und Gaseinnahmen für den Staatshaushalt im laufenden Jahr von 11 auf 8,7 Billionen Rubel (umgerechnet 94 Milliarden Euro) reduziert. Das ist der niedrigste Stand seit 2020. Es dürfte noch schlimmer kommen.

Rosneft trug mit 17 Prozent aller Steuern 2024 am meisten zum russischen Haushalt bei. Schon vor den Trump-Sanktionen meldeten Rosneft und Lukoil Ende September erhebliche Gewinneinbrüche: Rosneft um 68 Prozent, Lukoil um etwa die Hälfte.

Die US-Sanktionen zielen genau dorthin, wo Russlands Kriegsökonomie am verwundbarsten ist: Mindestens ein Drittel der russischen Ölexporte ist durch Trumps Sanktionen gefährdet. Insbesondere griechische Tankerfirmen weigern sich aufgrund der US-Sanktionen, weiter mit russischen Ölkonzernen zusammenzuarbeiten. Sie stellen etwa ein Fünftel der sogenannten „Schattenflotte", die mit Verschleierungstaktiken internationale Sanktionen umgeht. Sollte es Moskau nicht gelingen, neue Umwege zu schaffen, und China und Indien nicht bei der Stange halten können, verlöre der russische Staat Milliardeneinnahmen, so der Thinktank Atlantic Council.

Und dann ist da noch ein anderes großes Problem: Katar, wichtiger Partner für Trumps Nahost-Friedensplänen, ist mit 18,5 Prozent Anteil Großaktionär bei Rosneft. Die kleine Wüstenhalbinsel hat bereits vor den Sanktionen den Kauf von Raffinerien der deutschen Rosneft abgelehnt. Nun steht das Land selbst voll in Trumps Feuer.

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