Ökonomische Abhängigkeit von China: Das deutsche Unwort des Jahres
Alle reden von der Abhängigkeit und ihren Folgen. Als sei sie unfreiwillig und aufgezwungen. Tatsächlich ist sie in der Regel hausgemacht.
A bhängigkeit“ könnte für das endende Jahr 2022 als „das Wort“ oder „das Unwort des Jahres“ in die deutsche Sprachgeschichte eingehen. Es ist in aller Munde, vor allem wenn es um China geht. Ein gutes Argument, die „Abhängigkeit“ als „das Wort das Jahres“ zu wählen, ist die Tatsache, dass es endlich sehr deutlich die schmerzliche Realität ins deutsche Bewusstsein reinquetscht. Für leidenschaftliche Geschäftsmacher war das bis vor – sagen wir – drei Jahren noch etwas, was sie sehr ungern zugegeben hätten.
Damals war, ähnlich wie bei ihren politischen Förderern, vielmehr die Rede davon, welch willkommener Kooperationspartner China doch sei. Die politische Sprachregelung sah Formulierungen vor wie: Man könne kein Weltproblem ohne China lösen, weder Welthunger noch Klimaschutz. Es schien, als sei China Teil der Lösung, niemals aber Teil des Problems.
Damit ist es nun vorbei – dank der Omnipräsenz des unangenehmen Worts „Abhängigkeit“, und nicht zuletzt auch dank der Realität, die Putins Krieg geschaffen hat. Eine Realität, die Frust und Frieren ins deutsche Wohnzimmer bringt. Dafür, „die Abhängigkeit“ als „das Unwort des Jahres“ zu ernennen, spricht auch die Tatsache, dass der Begriff eine andere Realität verschleiert: Niemand hat die Deutschen in eine Abhängigkeit gezwungen.
Weder Naturkatastrophen, noch höhere Gewalt und auch keine Pandemie. Ausschlaggebend war einzig die freie Entscheidung so vieler Geschäftsleute, die mit politischer Rückendeckung „besten Wissens und Gewissens“ handelten. Letztlich weiß man spätestens seit Sputnik 1957, dass die Welt das Problem der Nukleargefährdung ohne Russland nicht wird lösen können. Der Kalte Krieg, so grausam er gewesen sein mag, hinderte Putins Vorgänger, von Stalin bis Breschnew, daran, die westlichen Demokratien in die Knie zu zwingen.
Kein VW in Neu-Delhi
Auch Japan ist ein kapitalistisches Land mit höchst exportabhängiger Wirtschaft. Doch wenn man nach Indien reist, wo alle deutschen Automanager nur den Kopf schütteln, dort könne man kein Geschäft machen, sind die Straßen voller Suzuki oder Mitsubishi, vom VW der gleichen Klasse keine Spur. Die Umsatzabhängigkeit der deutschen Automobilindustrie von China ist also nicht nur hausgemacht, sondern hausgewählt gewesen.
Jeder macht Fehler, viele machen mehrmals denselben – wieder und wieder. Das Erstaunliche an so manchen deutschen Großkonzernen ist, dass sie offenbar entschlossen sind, aus Fehlern, die sie hin und wieder durch verschleiernde Worte wie „Abhängigkeit“ zugeben, nicht lernen wollen. Sie kennen die Binsenweisheit, wonach man niemals alle Eier in ein und denselben Korb legen sollte. Jetzt legen sie weitere Eier in denselben Korb, derweil ihre Manager wie so manche Politiker weinerlich die deutsche „Abhängigkeit“ beklagen.
Wollen sie uns alle mit ihren hausgemachten Fehlentscheidungen auch in Zukunft erpressen? Weil wir hier entschieden haben, dass wir nicht anders können, vielmehr nicht anders wollen, müsst ihr alle mitziehen und, wenn es hart auf hart kommt, mitleiden? Das Gedöns um die „Abhängigkeit“ nimmt unterdessen zunehmend absurde Züge an. Ist die deutsche Allianzpflicht zur Nato keine selbstgewählte Abhängigkeit?
Ist die deutsche Zusage, demokratischen Partnern auch in Asien beizustehen, nicht ebenso frei gewählt? Und dann ist da noch die moralische Abhängigkeit. Da schickt man zuerst 5.000 Helme an die kampfbereiten Ukrainer, zögerlich, denn man will ja keinen Krieg, dann aber wird doch deutsches Kampfmaterial an die Front geschickt. Alles selbstgewählt.
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