Ökonomie der Mobilitätsplattformen: Kommt ein Rad zum Zug
Die Plattformisierung der Mobilität nimmt zu. Kann das nachhaltig werden? Eine Podiumsdiskussion und eine Studie suchen Antworten.
Statt um Nachhaltigkeit und die Reduktion von Verkehren gehe es um Marktbeherrschung, das Sammeln und Verarbeiten persönlicher Daten – und darum, tendenziell mehr Verkehr zu verursachen. „Mancherorts kommt man schon heute an Google Maps kaum mehr vorbei, wenn man sich komfortabel im Verkehr bewegen will“, kritisiert Dominik Piétron, Soziologe von der Berliner Humboldt-Universität.
Der Verkehrssektor ist einer der größten CO2-Verursacher: Um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, müssten laut Piétron die durch den Verkehrssektor verursachten Emissionen innerhalb von 8 Jahren um die Hälfte reduziert werden. „Dafür brauchen wir radikale Maßnahmen.“ Zum einen Push-Faktoren wie Tempolimits oder autofreie Innenstädte. Zum anderen Pull-Faktoren, die einladend wirken, um Mobilität nachhaltiger zu gestalten. Dazu könnten auch Mobilitätsplattformen beitragen – wenn sie richtig gestaltet und eingesetzt werden.
Piétron ist einer der Autor:innen einer Studie von Attac und der Rosa-Luxemburg-Stiftung zu Mobilitätsplattformen, an die die Podiumsdikussion knüpft. Die Chancen seien groß, ist das Fazit der Autor:innen: „Digitale Plattformen zur Vermittlung von Mobilitätsdienstleistungen haben das Potenzial, den Personennahverkehr grundsätzlich neu zu strukturieren“, schreiben sie.
Besonders weil sie es einfacher machen könnten, unterschiedliche Fortbewegungsmittel zu kombinieren: etwa mit dem E-Roller zum Bahnhof, mit dem Zug zum Zielort und dann mit dem Fahrrad weiter, statt die ganze Strecke mit dem Auto zu fahren, weil allein der Fußweg zum Bahnhof eine Stunde dauern würde und Busse zu selten fahren.
Um dieses Ziel zu erreichen und nicht einfach noch mehr Autos auf die Straße zu bringen, fordern die Autor:innen der Studie öffentlich organisierte Mobilitätsplattformen als Alternative zu den privaten Anbietern. Diese müssten bestimmte Bedingungen erfüllen: Unter anderem solle die Software Open Source sein und von kommunalen Firmen bereitgestellt werden. Als Positivbeispiel gilt etwa Wien, wo ein Tochterunternehmen von Wiener Linien und Wiener Stadtwerken Softwarelösungen für öffentliche Verkehrsunternehmen anbietet.
Datenschutz und Bürger:innenbeteiligung
Darüber hinaus sollten alternative Sharing-Modelle mitgedacht werden, etwa genossenschaftlicher Art. Und ganz besonders sollten die kommunalen Plattformen Gruppen berücksichtigen, die sonst bei öffentlicher Mobilität eher benachteiligt werden. Zum Beispiel Menschen, die in Bus und Bahn rassistische Angriffe fürchten müssen, oder Menschen, denen Mobilität aus körperlichen oder finanziellen Gründen schwerer zugänglich ist. „Die Plattformen eignen sich dafür, sie als digitalen Stadtraum zu verstehen“, so Piétron. Partizipative Ansätze, Datenschutz, Bürger:innenbeteiligung – all das müsse von Anfang an mitgedacht werden.
Doch über die Einrichtung öffentlicher Plattformen hinaus gebe es noch einen zweiten zentralen Faktor, um Mobilität nachhaltiger zu gestalten: „Bisher haben Kommunen nur eine geringe rechtliche Handhabe gegenüber dem schnell wachsenden Angebot an Sharing-Diensten“, heißt es in der Studie.
Das führt zum Beispiel dazu, dass Metropolen – je nach Trend – mit Leihrädern oder E-Rollern verschiedener Anbieter überschwemmt werden, die mitunter Wege anderer Verkehrsteilnehmer:innen blockieren und für zusätzliche Konflikte sorgen. Kommunen benötigten daher eine gesetzliche Grundlage, um auch diese Anbieter regulieren zu können – und im Sinne der Bürger:innen zu steuern, welche Fahrzeuge in welcher Menge an welchen Standorten nötig, sinnvoll und erlaubt sind.
Mark Herterich von Attac forderte bei der Diskussion außerdem auch eine grundsätzliche Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs – zum Beispiel durch eine schnellere Taktung. „Es nützt nichts, am Ende einen ÖPNV zu haben, der zu einem Zulieferer von privater Mobilität wird.“
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